Zwei Dinge hat sich Heiner Boberski für den kommenden Sonntag vorgenommen: So fit zu sein, dass er beim Wien-Marathon an den Start gehen kann - und: "Gesund und nicht total erledigt ins Ziel kommen. Ich war beim 1. Wien-Marathon 1984 dabei und will deshalb schon auch 20 Jahre später in die Wertung kommen." Furche-Kolumnist Boberski hat sich aber auch geistig intensiv auf das Rennen vorbereitet: "Mythos Marathon" heißt sein Buch, es ist 42 Kapitel lang, einen Abschnitt für jeden Kilometer, und es handelt von den "Schicksalen, Legenden, Höhepunkten" des Marathonlaufs.
Beispiel Schicksal: Beim zweiten olympischen Marathon der Neuzeit, 1900 in Paris, wird dem in Führung liegenden Schweden Ernst Fast von einem Pariser Polizisten der falsche Weg gewiesen, sodass ein Franzose gewinnt.
Beispiel Legende: Hieß der erste Marathonläufer wirklich Pheidippides? Oder war es ein Thersippos, Eukles oder Aristidion? Ist der Läufer von Marathon weggelaufen oder von Salamis oder Issos oder Platää? Und ist er im Ziel gestorben? Boberski meint: "Man kann darüber nur ins Blaue des griechischen Himmels oder Meeres spekulieren."
Beispiel Höhepunkt: Als der ostdeutsche Läufer Waldemar Cierpinski 1980 in Moskau zum zweiten Mal den Olympia-Marathon gewinnt, ruft der begeisterte DDR-Kommentator: "Väter, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Söhne Waldemar!"
Boberskis Buch ist zu Beginn eine kurzweilige Tour d'horizon durch 2.500 Jahre Laufgeschichte; wenn die ersten Ermüdungserscheinungen auftreten, entführt er zu den schönsten Marathons in aller Welt und fürs Finale gibt er Tipps zur Marathonpraxis, zu Gesundheit und Gefahren. Im Ziel angekommen, kann man schließlich nur mehr dem schwedischen Laufwunder Grete Waitz zustimmen: "Ich laufe (in diesem Fall: lese), weil es mir Spaß macht." WM
MYTHOS MARATHON
Schicksale, Legenden, Höhepunkte
Von Heiner Boberski, NP-Landesverlag, St. Pölten 2004,
geb., 192 Seiten, 50 Abbildungen, e 21,90
