Sarastra duldet weder Frauenfeindlichkeit noch Rassismus

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Gustav Kuhn präsentiert bei den Tiroler Festspielen in Erl eine Neuinszenierung von der „Zauberflöte“. Kuhns reife Mozarterfahrung schöpft in klassisch-humanistischem Gestus die Farben des modernen Orchesters aus und findet in der wunderbaren Passage der Geharnischten ihr Ziel. Die Musik geht dabei über das Wollen hinaus.

Dass Gustav Kuhn ein Mozartspezialist ist, zeigt er nach viel Wagner erst jetzt bei seinen Tiroler Festspielen. Der Neuinszenierung der „Zauberflöte“ folgt am 17. Juli aber doch „Der fliegende Holländer“. Wie immer übernimmt der Dirigent auch die Regie.

Er duldet weder Frauenfeindlichkeit noch Rassismus, die entsprechenden Textstellen sind weitgehend eliminiert. Die Priester lassen sich kaum sehen, der Mohr Monostatos erscheint halb schwarz, halb weiß, nur beide Hälften ergeben ein Ganzes, und das Ganze ist ambivalent. Sarastros Weisheit ist für den promovierten Philosophen und Psychologen Kuhn nicht ohne weibliche Komponente denkbar, und so schuf er Sarastra, die Sarastros Prosa spricht und Entscheidungen trifft. Szenisch geht das freilich nicht auf, denn die Dame in Gestalt Brigitte Karners umsorgt den Gemahl (dunkel und voll tönend der Russe Pavel Shmulevich) wie eine betuliche Gattin und schiebt ihm ständig eine Art Rollstuhl unter.

Die Erler Dorfkinder sind ein Lieblingsthema Kuhns und reichlich im Einsatz, als Ungeheuer und Bühnenarbeiter, mit Fackeln und Wassergefäßen bei den Prüfungen, im Schattenriss als Zukunftshoffnung am Bühnenrand sitzend. Zuletzt dürfen sie laut aufschreiend die Königin der Nacht vernichten.

Das Stück findet im Orchester statt

Volksschulkinder waren auch angehalten, die „Zauberflöten“-Personage zu kostümieren, und von diesem Fundus an Phantasie ließ sich Kostümbildnerin Lenka Radecky zu fröhlichen Gewändern inspirieren. Das Festspielorchester sitzt mitten auf der Bühne und wird szenisch umspielt, dahinter steigen Stufen auf. Auf Siegfried E. Mayers karger Bühne kein Zauber, kein Spektakel, doch reiche Lichtarbeit. Kuhn beschwert nicht, er reduziert. Selbst Papageno, nicht mehr ganz jung und unbeschwert, hält in Gestalt von Johannes Schmidt seinen Witz in Zaum.

Das Stück findet im Orchester statt, klar, bestimmt, leuchtend, in Kuhns reifer Mozarterfahrung, die in klassisch-humanistischem Gestus die Farben des modernen Orchesters ausschöpft und in der wunderbaren Passage der Geharnischten ihr Ziel findet.

Diese „Zauberflöte“ erzähl+t von der Liebe, vom Alleinsein und Gefundenwerden, Hoffen und Verzweifeln. Vielleicht ist Liebe eine Utopie, aber diese Inszenierung will daran glauben. Mit leiser Ironie ist der Chor zu Ehepaaren geschmiedet. Die Musik geht über das Wollen hinaus, lotet tief mit leichter Hand – Mozart eben.

Michael Babas Tamino ist schon ein wenig erwachsen geworden, reif zum „männlich siegen“. Seine Pamina scheint alle Prüfungsmühen wert, Anett Fritsch singt sie aus dem Ensemble ragend mit kristalliner Frische. Die junge Türkin Cigdem Soyarslan geht als Königin schon recht sichere Koloraturpfade, die Damen Cornelia Horak, Anahita Ahsef und Martina Tomcic können sich hören und sehen lassen. Drei versierte japanische Sängerinnen aus Gustav Kuhns Talentschmiede nahmen sich als geflügelte Knaben stimmlich zurück.

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