Scharfsinniger Beobachter im Menschenzoo

Werbung
Werbung
Werbung

Was ist der Mensch? Die Entfaltung eines biologischen Programms oder ein Produkt seiner Umwelt? Werden wir als Menschen geboren oder zu Menschen erzogen? Was bestimmt unser Schicksal -"Nature or Nurture"? Diese drängende Frage treibt Forscher auch heute noch um, in den Natur-ebenso wie in den Geistes-und Sozialwissenschaften. Irenäus Eibl-Eibesfeldt hat in diesem hart umkämpften Spannungsfeld klar Position bezogen: "Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten" lautet eines seiner Bücher, dessen Titel 1973 durchaus provokant gewählt war.

Für einen Zoologen war diese Sicht naheliegend: Als Verhaltensforscher widmete sich der gebürtige Wiener zunächst dem Paarungsverhalten der Erdkröte, den Putzsymbiosen von Meeresfischen oder den Turnierkämpfen der Meerechsen. Er war Mitarbeiter von Otto Koenig und Konrad Lorenz; mit seinem Freund Hans Hass machte er meeresbiologische und medientaugliche Expeditionen. Doch der ambitionierte Biologe bekam Lust auf mehr und übertrug sein wissenschaftliches Interesse zunehmend auf den Menschen. Im Zuge von Forschungsreisen zu "Naturvölkern" in Venezuela, Botswana und Neuguinea entstand ein gigantisches Filmarchiv zum Studium des Alltagsverhaltens in verschiedensten Kulturen. Er entwickelte die Theorie, dass es Universalien des menschlichen Sozialverhaltens gibt -eine These, die er auch durch die Arbeit mit blind und taub Geborenen untermauerte. EiblEibesfeldt wurde so zum Pionier der Humanethologie, zu der er auch mit seinem Standardwerk "Die Biologie des menschlichen Verhaltens"(1984) grundlegend beigetragen hat. Es liegt ein bisschen in der Natur der Sache, dass die Welt aus Sicht der Biologen "naturalisiert" - und somit auch reduziert -wird. Der streitbare und umstrittene Forscher, der selbst viel Kontakt mit fremden Menschen und Völkern gepflegt hatte, tat dies auch in Bezug auf Theorien, wonach der Mensch tendenziell "fremdenscheu" sei. Seine Warnungen vor unkontrollierter Migration erscheinen heute hochaktuell. Sie werden, je nach ideologischer Position, mitunter heftig affirmiert oder abgelehnt. Dass ihn Rechtsextreme zu instrumentalisieren versuchten, dagegen hat sich Eibl-Eibesfeldt stets verwahrt: Er habe oft "Beifall von der falschen Seite" erhalten, wie der emeritierte Professor an der Universität München (1969-1996) betonte. Am 2. Juni ist er kurz vor seinem 90. Geburtstag im bayrischen Starnberg verstorben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung