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Angeblich sind die "eingebetteten Journalisten" eine Neuerung des Irakkrieges. Aber die Propaganda-Maschinerie arbeitete bereits im Ersten Weltkrieg mit denselben Mitteln.

Im letzten Irak-Krieg als absolute Neuerung angekündigt, zeigt ein Blick in die Geschichte, dass die "Einbettung" der Berichterstattung in den militärischen Apparat längst nichts Neues mehr ist. Krieg ohne Propaganda ist heute undenkbar, in Wirklichkeit geht diese Symbiose zwischen Militär und Medien aber hauptsächlich auf den Ersten Weltkrieg zurück. Sie hat seither fast alle größeren Kriege begleitet. Man muss ihre Ursprünge untersuchen, wenn man die Kriegs- und Nachkriegspropaganda verstehen will.

Die Planung...

Es beginnt am 24. Februar 1917. In den Räumen des Wiener Kriegsministeriums findet eine wichtige Sitzung mit hochrangigen Militärs statt. Die Bildpropaganda, so die übereinstimmende Meinung der versammelten Offiziere, liege im Argen. Leutnant Lustig-Prean legt die Missstände in einem ausführlichen Vortrag dar: "Es ist schwer, im Kriege zu ernten, was man im Frieden zu säen unterlassen hat. [...] Unsere Propagandatätigkeit steckt eben noch in den Kinderschuhen und leidet daher auch an den Kinderkrankheiten, die so rasch und so gründlich als möglich bekämpft werden müssen." Der Vertreter des Pressebüros des Kriegsministeriums, Hauptmann Neumann, ergänzt, das Schwierigste, sei die Beschaffung von Bildmaterial. "Die wochenlangen Bemühungen durch zahlreiche Rundschreiben an Kommanden und Truppenkörper, eigens veranlaßte Erlässe im Zusammenarbeiten mit dem Kriegspressequartier (KPQ) und dem Kriegsarchiv Material zu erhalten, hatte nicht den erwarteten Erfolg. So blieb denn nichts anderes übrig, als in den Wiener Spitälern bei verwundeten Offizieren Bilder zu suchen, private Agitation zu betreiben, Verbindungen auszunützen, durch Inserate und Aufrufe in den verschiedenen Blättern zu wirken und schließlich eigene photographische Expeditionen zu entsenden, um große Phasen und Erfolge des Krieges festzuhalten." Das Protokoll der Sitzung vermerkt zusammenfassend: "Die erschienen Herren der beteiligten Ressorts pflichteten den [...] bekannt gewordenen Mängeln unseres diesbezüglichen Propagandadienstes völlig bei und wussten dieselben auch noch durch einige zum Teil sehr drastische Beispiele zu illustrieren."

Die Konferenz im Kriegsministerium hat nichts mit Truppenbewegungen, Angriffsplänen und Entscheidungen an konkreten Kriegsschauplätzen zu tun. Daher wurde ihr in der Chronologie des Krieges bisher keinerlei Bedeutung zugemessen. Und dennoch: Sie markiert in Österreich den Beginn des ersten modernen Propagandakrieges.

Auf Anordnung Kaiser Karls übernimmt Tage später schon Wilhelm Eisner-Bubna die Leitung des für die Propaganda zuständigen k.u.k Kriegspressequartiers. Zu diesem Zeitpunkt hat die Einrichtung einen Personalstand von 292 Bediensteten. Bis Kriegsende steigt dieser auf 880 Personen an. Der neue Leiter widmet sich dem Aufbau einer einheitlichen, zentral gelenkten Propaganda-Organisation. Sie sollte schnell reagieren können und leicht zu kontrollieren sein.

Waren zu Kriegsbeginn die Pressevertreter möglichst weit hinter der Front gehalten worden, um ihre Berichterstattung besser lenken zu können, so änderte sich das nun. Die Medienleute sollten, eingebettet in die eigenen Truppen, in großer Zahl nahe an die Kriegsschauplätze heranrücken.

... und die Ausführung

Systematisch ausgebaut wird insbesondere die Bildpropaganda. Die Fotografen des KPQ erhalten nun eine eigene Abteilung, die "Lichtbild-" oder "Fotostelle". In ihr sollten künftig alle für die Propaganda verwendeten Fotografien in Auftrag gegeben, gesammelt, zensuriert und propagandistisch verwertet, also gezielt an die Presse weitergegeben werden. Als am 1. Juni 1917 auch die Kriegsfilmpropaganda dem Kriegsarchiv entzogen und dem KPQ angeschlossen wird, ist der gesamte Bereich der Bildpropaganda in einer Zentralstelle zusammengefasst. Die Propaganda ist endgültig zu einem integralen Bestandteil der Kriegführung geworden. Von nun an greifen der Kampf an der Front und der Medienkrieg eng ineinander. Die Berichterstatter sind nun zur Gänze in die Strukturen des Heeres "eingebettet".

"Mit dem kleinsten Baustein, den jeder der Amateurphotographen der Armee unschwer dem gemeinsamen großen Bauwerk einfügen kann, hilft er mit, das Band zwischen Heer und Volk enger zu gestalten und uns in der Außenwelt die uns gebührende Anerkennung zu erringen." Mit diesen Worten wendet sich im April 1917 der neue Leiter des Kriegspressequartiers an die Soldaten. Die in hoher Auflage gedruckte Aussendung wird an die Truppen verteilt und eine gekürzte Version in der Presse und den Soldatenzeitungen verbreitet. "Das Kriegsministerium hat", so heißt es darin weiter, "im Einvernehmen mit dem Armeeoberkommando eine Zentralstelle für Kriegsphotographie geschaffen. Alle Amateurphotographen der Armee werden aufgefordert, von jeder ihrer photographischen Aufnahmen eine Kopie an die Zentralstelle [...] einzusenden." Der Aufruf schließt mit der Botschaft: "Keiner darf abseits stehen, keiner unangebrachte Kleinlichkeit und Bequemlichkeit gelten lassen, da es um das Interesse des uns Teuersten geht, das Interesse des Vaterlandes."

Die systematische Ausweitung der Kriegsfotografie ab Frühjahr 1917 sollte zunächst die verwertbare Menge an Aufnahmen erhöhen. Zugleich verfolgte die allgemeine Aufforderung, Kriegsbilder einzusenden, aber auch den Zweck, den Propagandakrieg flächendeckend aufzubauen. Die Aufnahmen sollten nicht nur Rohmaterial für die weit von der Front entfernte Propagandastelle bilden, sondern zu einer zusätzlichen Mobilisierung der Soldaten und zu einer engen Verflechtung zwischen kämpfender Front und "Heimatfront" führen.

Lückenlose Zensur

Im Ersten Weltkrieg setzt sich das System der Akkreditierung von Journalisten als Mittel der Kontrolle flächendeckend durch. Der Berichterstatter kann sich ab nun kaum mehr ohne Zuhilfenahme der militärischen Logistik bewegen, die Fronten zu wechseln ist ihm praktisch unmöglich. Die Zensur wird nun lückenlos durchgeführt.

Akkreditierung, militärischer Druck und systematische Zensur begegneten uns auch im letzten Irak-Krieg. Sie führen zu einer Verflechtung von Militär und medialer Propaganda, die unabhängige Berichterstattung fast unmöglich macht. Es wird immer schwieriger, propagandistische von nicht propagandistischen Botschaften zu trennen, denn es gehört zur Charakteristik der Propaganda, dass sie sich gegen ihre kritische Durchleuchtung sträubt.

Der Autor ist Herausgeber der Zeitschrift "Fotogeschichte" (www.fotogeschichte.info) und Kurator kultur- und fotohistorischer Ausstellungen.

Fotokrieg und Kriegsfotos

Am 14. und 15. Mai 2004 findet am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien die Tagung "Foto-Krieg. Österreichische Kriegsfotografie 1914-1918: Wahrnehmung, Erinnerung, Politik" statt. Im Schnittpunkt der Tagung steht die Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Fotobestand zur österreichischen Kriegsfotografie im Ersten Weltkrieg, der im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird. Die Fotos werden derzeit mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds (FWF) erforscht.

Nähere Informationen zum Programm unter www.ifk.ac.at

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