Schengen: Winzerdorf mit 375 Einwohnern und ein Vertrag für (fast)ganz Europa

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Über den Ort, der dem Personenfreizügigkeits-Abkommen den Namen gab.

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Über den Ort, der dem Personenfreizügigkeits-Abkommen den Namen gab.

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Das 375 Einwohner zählende luxemburgische Winzerdorf Schengen an der Mosel ist für zwei Dinge bekannt: die Luxemburger Weinstraße, die in diesem Ort ihren Anfang nimmt und den europäischen "Vertrag von Schengen". Auf dem Fahrgastschiff "Princesse Marie-Astrid" wurde am 14. Juni 1985 zwischen Luxemburg, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland das Schengener Abkommen unterzeichnet. In der Ortsmitte von Schengen erinnert ein Gedenkstein an diesen Akt; und an der Stelle der Esplanade, wo die "Princesse Marie-Astrid" ankerte, wurde die "Place de l'Accord de Schengen" mit drei mächtigen Stahlstelen angelegt.

Das Schengener Abkommen ist die Grundlage für die schrittweise Abschaffung der Grenzkontrollen in Europa seit 1995. Kernsatz: "Die Binnengrenzen dürfen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden." Ab 21. Dezember dieses Jahres gilt das Abkommen in 22 EU-Staaten sowie Island und Norwegen.

Österreich gehört seit dem EU-Beitritt 1995 zum Schengen-Raum, die Aufhebung der Grenzkontrollen in Richtung Deutschland und Italien erfolgte aber erst zum 1. April 1998. Ursprünglich war Schengen als freiwillige Zusammenarbeit einzelner EU-Länder geplant, seit dem Vertrag von Amsterdam gehört das Abkommen jedoch zum verpflichtenden EU-Recht. Ausnahmen erwirkt haben damals Großbritannien und Irland. Auch die EU-Neulinge Rumänien, Bulgarien und Zypern bleiben vorerst draußen. Die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Liechtenstein werden Schengen voraussichtlich im November 2008 beitreten.

Grundprinzip der Schengen-Kooperation: Die Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten werden aufgehoben, dafür wird die Kontrolle der Außengrenzen verstärkt. Dazu dient seit 1995 ein eigenes Computer-Netzwerk ("Schengen-Informationssystem"), über das die Mitgliedsländer die Fahndungsdaten ihrer Polizei austauschen. Eine neue Generation des Systems ("SIS II") soll unter anderem auch die Abfrage von Fingerabdrücken erlauben. Es wird wegen technischer Schwierigkeiten erst Ende 2008 in Betrieb gehen.

Obwohl die Grenzkontrollen im Schengen-Raum wegfallen, führen manche EU-Länder weiterhin Kontrollen im Hinterland durch. Bei besonderen Ereignissen kann das Schengen-Abkommen zudem ausgesetzt werden, um vorübergehend Grenzkontrollen zu ermöglichen. In Österreich wird das bei der Fußball EM 2008 der Fall sein.

Für einen Teil der künftigen EU-Außengrenze gibt es nach wie vor keine verbindliche Regelung. Das Grenzabkommen zwischen Estland und Lettland sowie Russland wurde noch nicht unterzeichnet. Grund: Nachdem die beiden EU-Länder ihre staatliche Kontinuität zu ihren von der Sowjetunion besetzten Vorgängerrepubliken in den Grenzen vor 1940 erklärt haben, hat Moskau seine Zustimmung zu den ausverhandelten Verträgen zurückgezogen.

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