Schiedsrichter im Pferderennen

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Es wird wieder spannend, suggerieren uns die Medien - und inszenieren den US-Wahlkampf so, wie sie fast immer Wahlkämpfe in Demokratien inszenieren: Als "horserace“ - als Pferderennen, bei dem die Favoriten nahezu gleichauf der Ziellinie zustürmen.

Viele Journalisten gebärden sich als Schiedsrichter, und tatsächlich gelingt es ihnen auch immer wieder, ein Foul zu registrieren und dem einen oder anderen Kandidaten die Gelbe Karte zu zeigen. Kein Zweifel, sie werden in dieser Rolle gebraucht. Von Schiedsrichtern ist allerdings nicht zu erwarten, dass sie über den Sinn und Unsinn des Spiels nachdenken, dass sie kritische Fragen zum Sportbetrieb stellen und einen Blick hinter seine Kulissen gewähren.

Genau das sollten aber Journalisten auch tun, wenn sie einen Wahlkampf begleiten: die Hinterbühnen ausleuchten, damit wir alle, die Wähler, besser verstehen, wer welches Stück auf der Vorderbühne aufführt, damit wir Inszenierungen durchschauen. Weil die Redaktionen - in den USA, aber auch bei uns -in den letzten Jahren drastisch geschrumpft sind, gelingt es ihnen leider nur noch selten, profunden Einblick in die Arbeit der Beraterstäbe und der Spin-Doctors zu gewähren.

Neben den Journalisten gibt es noch andere Akteure, die Wahlkämpfe professionell begleiten und Licht ins Dunkel bringen könnten: Politikwissenschaftler und Medienforscher werden von Journalisten noch immer viel zu zaghaft als Experten genutzt, um den Publika das Geschehen auf der Hinterbühne zu erklären. Dabei hätten gerade in Amerika viele Denkfabriken - wie zum Beispiel das "Project for Excellence in Journalism“, das soeben detailliert untersucht hat, wie Obama und Romney die neuen Medien im Wahlkampf einsetzen - genau jene Informationen zu bieten, die aus dem Wahlkampf statt dem üblichen Pferderennen ein wirklich spannendes Ereignis machen.

Der Autor ist Medienwissenschafter an der Uni Lugano/CH

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