Schielen auf BBC & Co

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Eine europäische Vergleichsstudie der Fachhochschule Wien zeigt, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk anderswo organisiert ist und liefert Argumente zur ORF-Debatte.

Als Mutter aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt gemeinhin die BBC. Immer noch schielen auch hierzulande Kämpfer für einen öffentlichen Rundfunk, der diesen Namen auch verdient, auf die Britischen Inseln: Und tatsächlich findet man rund um die BBC Rahmenbedingungen, die immer noch beispielgebend sind, auch wenn im Vereinigten Königreich die öffentlich-rechtliche Rundfunklage längst nicht mehr rosig ist. Aber die „altehrwürdige“ Konstruktion der BBC beruht nicht auf einem eigenen Gesetz, sondern auf der „Royal Charter“, die alle zehn Jahre nach einer intensiven öffentlichen Diskussion erneuert wird, und die eine Art Vertrag zwischen dem britischen Volk und der BBC darstellt.

Seit der letzten Erneuerung der Royal Charter 2007 wird die Geschäftsführung vom zwölfköpfigen BBC Trust beaufsichtigt, nicht zuletzt was die Erfüllung des öffentlichen Auftrags anbelangt. Bei der Auswahl der Mitglieder dieses Aufsichtsgremiums wird größtmöglicher Wert auf Unabhängigkeit gelegt – jedenfalls ist eine Verparteipolitisierung wie beim ORF in Großbritannien undenkbar. Die Finanzierung der BBC basiert zu drei Vierteln auf Gebühreneinnahmen, die BBC-Programme sind werbefrei. Außerdem muss die Anstalt vor allem bei neuen Aktivitäten (etwa im Online-Bereich) nachweisen, dass sie damit einen Public Value, einen öffentlichen Mehrwert, erbringt. Der entsprechende „Public Value“-Test spielt – auch wenn er im Detail kritisiert wird – eine Vorreiterrolle in der gesamten europäischen Diskussion über den Stellenwert, den der öffentliche Rundfunk haben soll und darf.

Auch Private müssen Public Value erbringen

Zusätzlich zum BBC Trust wird die Rundfunkanstalt von der Medienbehörde Ofcam überwacht, die auch den kommerziellen Rundfunk beaufsichtigt. Denn in Großbritannien sind auch die privaten Sender gehalten, öffentlich-rechtliche Inhalte anzubieten. ITV (Independent Television), der größte Privatanbieter, ist schon seit 1954 on air (zum Vergleich: In Österreich startete bundesweites Privat-TV erst 2001, in Deutschland sind die Privaten auch erst 25 Jahre alt). Und auch ITV muss öffentliche Rundfunkdienste erbringen – etwa regionale Nachrichten, was dem Sender finanziell einiges Kopfzerbrechen bereitet. Außerdem gibt es in Großbritannien auch den einen „öffentlich-rechtlichen Kommerzsender“, nämlich Channel 4, der sich ausschließlich über kommerzielle Einnahmen finanzieren muss, aber, weil er in öffentlichem Besitz steht, alle Erträge wieder ins Programm stecken kann.

Die hier zusammengefassten „britischen Verhältnisse“ sind Teil einer umfangreichen Studie des Journalismus-Instituts der Fachhochschule Wien über den öffentliche-rechtlichen Rundfunk in Europa, die dieser Tage in Buchform erschienen ist. Neben Großbritannien wurden darin auch der Rundfunkbereich in Deutschland, der Schweiz, Skandinavien, den Niederlanden und Frankreich untersucht und mit den Zuständen in Österreich verglichen. Die ausführliche Betrachtungsweise stellt den erste umfassenden Ländervergleich dar und legt neben einer Vielzahl von rechtlichen und finanziellen Details sowie Darstellungen der Programmaufträge den Fokus auf die Frage nach dem Stand der Public-Value-Diskussion den einzelnen Ländern.

Beitrag zur heimischen Mediendebatte

Das Journalismus-Institut von der FH-Wien hat vor Jahresfrist einen lukrativen Forschungsauftrag zum Public Value des Rundfunks an Land gezogen, der vorliegende Studienband ist das erste Großergebnis der Untersuchungen. Institutsleiter Reinhard Christl schließt den Band mit seinen – schon letzten Sommer präsentierten – „14 Thesen zur Zukunft des ORF“ ab, in denen er gleich am Anfang Österreichs Medienpolitik mahnt, sie solle sich „stärker als bisher an internationalen Vorbildern orientieren“.

Ob das tatsächlich geschieht, kann am mehr oder weniger zeitgleich mit Erscheinen des Buches vom Ministerrat beschlossenen Entwurf fürs neue ORF-Gesetz abgelesen werden. Der eine oder andere Aspekt aus der aktuellen Diskussion darum konnte noch in die Österreich-Analyse des Buchs einfließen. Der Wermutstropfen am Erscheinungstermin ist, dass der umfangreiche und informative Vergleich europäischer Rundfunk-Realitäten praktisch post festum erscheint. Oder auch nicht: Denn Entwurf für ein ORF-Gesetz hin oder her – die Debatte um den öffentlichen Rundfunk in Österreich ist längst nicht beendet. Die Auseinandersetzung damit, was im anderen Europa vorgeht, wird sich in der heimischen Mediendebatte zweifelsohne auch weiterhin als nützlich erweisen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Europa

Hg. Reinhard Christl, Daniela Süssenbacher. Falter Verlag, 2010. 280 S., geb., Euro 25,80

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