Schlachtfeld der Triebe

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"Macbeth": Shakespeares blutrünstiges Historiendrama in der Regie von Jürgen Gosch bei den Festwochen.

Mehr Fleisch, mehr Blut, mehr Tränen. Und los: Hosen runter, drei Zwitterwesen rücken Plastiktische zusammen und nehmen Shakespeares Regieanweisung wörtlich: "ein kochender Kessel. Donner." In Jürgen Goschs "Macbeth"-Inszenierung wird gefurzt und geschweinigelt, gemordet und gepeinigt, bis jeder Zentimeter Bühne mit Theaterblut lackiert ist.

Shakespeares blutrünstigstes Historiendrama ist in Goschs radikaler, rotziger Interpretation auf beinahe jedes große Theaterfestival eingeladen. Der angekündigte Skandal blieb aber bei den Festwochen aus. Im Gegenteil: amüsiert nickte man sich freundlich zu, für alle sichtbar, weil das Saallicht nicht abgedreht wurde. Das Motto dahinter ist die totale Freiheit im Sehen, auch für die beinahe durchgehend nackten sieben (großartigen) Darsteller, die einem buchstäblich auf den Leib rücken, während sie das insgesamt 26 Figuren fassende Stück bewältigen. Nur an markanten Details lassen sie sich identifizieren: Duncan (Ernst Stötzner) ist in seiner ganzen Pracht als König nur mit einer Krone "bekleidet", Banquo (Michael Abendroth) schüttet sich einen Sack Mehl über den rot gefärbten Körper und wird zu seinem eigenen Geist. In ihrer Blöße sind sie anarchistisch und hilflos, wie manchmal Goschs Inszenierung. Sie sind immer Angst, Zweifel und Hoheit zugleich. Und stets Spiegel des Zuschauers.

Gosch geht rein körperlich an die Figurenkonzeption heran, sein "Macbeth" ist ein Schlachtfeld der Triebe und Spiel nie erwachsen gewordener Männer. Sie balgen sich im Blut, werden zu tanzenden, urinierenden Hexen, die ihre blanke Freude am eigenen Kot ausleben, markieren riesige Bäume, wenn es darum geht, den Wald nach Dunsinane zu bringen. Lady Macbeths (Devid Striesow) Machtgier versteht Gosch biologistisch, indem er ihre Dominanz als Sublimierung der Kinderlosigkeit deutet.

Raffiniert ist sie auf jeden Fall, diese Arbeit voller Fantasie und szenischer Einfälle. Gefallen ist kein Kriterium für diese Inszenierung. Aber mögen muss man es schon, dieses deftige, erbarmungslose Stück Volkstheater.

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