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Von der "Eritrea-Koalition" bis zu den "postillons d'amour": Man sollte die Vorgänge der letzten Tage hinter sich lassen und Reform-Initiativen innerhalb wie außerhalb des ORF den Rücken stärken.

Der ORF schwenkt auf einen neuen Kurs ein: Wer solche Hoffnungen nach Alexander Wrabetz' überraschender Wahl zum Herrn des Küniglbergs hegte, malte sich auch in düsteren Visionen nicht aus, in welch alten Fahrwassern der schlingernde Tanker im Nu dampfen würde. Die öffentlich-rechtliche Seenot hält an, mag sich auch die versuchte Route verschieben. Und der am Wochenende entfesselte Vorgeschmack auf Monate lange Manövrierunfähigkeit (hier die abgewählte, aber bis Jahresende amtierende Generalin, dort der designierte, vom Stiftungsrat mit einer Art Mitregierungsmandat ausgestattete Neue, der aber in Wahrheit nichts entscheiden kann) alarmiert. Dazu kommt das Irrlichtern des BZÖ und seines Frontmannes Peter Westenthaler, der ihm angenehme Personen in der Wrabetz-Mannschaft zu platzieren gedenkt und in alter Manier in den ORF hineininterveniert, sprich: einen genehmen Termin für seinen Talk bei Gabi Waldners Sommergespräch zu erreichen suchte.

Man könnte sich da ja am missglückten Polit-Sprech der letzen Tage weiden: Reinhold Lopatkas Sager von der "Eritrea-Koalition" missbrauchte die Fahne des afrikanischen Landes um die besondere Unsäglichkeit der Wrabetz'schen Wahlallianz zu brandmarken (und lag falsch, weil sich auf dieser wohl ein gelbes, aber kein ein oranges Symbol findet). Der präsumtive Hörfunk-Chef - zur Zeit in Kärnten wirkend - reicherte gegenüber der Kleinen Zeitung die Stilblüten um den Ausdruck "postillon d'amour" an: Solchen habe Jörg Haider für ihn bei Wrabetz gespielt. Und Berserker Westenthaler ortete eine "Vendetta" Monika Lindners, weil die Noch-Generalin die gewünschte Verschiebung des Sommergesprächs rückgängig machte.

Da fällt gar nicht mehr auf, dass Noch-Informationsdirektor Gerhard Draxler (man erinnert sich: für ihn war seinerzeit Jörg Haider ebenfalls der "postillon d'amour" gewesen) die voreilig genehmigte Verschiebung des Westenthaler-Auftritts bei Gabi Waldner damit begründet hatte, die Ergebnisse der ORF-Programmforschung hätten gezeigt, dass "Politik und Fußball die gleiche Zielgruppe" ansprächen; logisch daher:Westenthaler (man erinnert sich weiters: zwischenzeitlich als Fußball-Manager tätig) kann man auf ORF 2 doch nicht gegen Benfica-Austria auf ORF 1 programmieren ...

Die ORF-Lage lässt für solche Spaßetteln längst keine Zeit mehr. Also nur noch ein Trauerspiel? Man sollte im Gewirr dieser Tage nicht vergessen, wie es zum "Umsturz im ORF" (\0xA9 Kleine) mit beschriebenen Begleiterscheinungen kam: In nie gekannter Deutlichkeit waren in den letzten Monaten Journalisten des ORF selbst aufgestanden und hatten den publizistischen Notstand vor allem im Fernsehen offenbar gemacht: Zuerst die öffentlich wenig beachtete Initiative Der FreiRaum (die Furche berichtete), dann die Rede von ZIB 2-Anchorman Armin Wolf zur Verleihung des Robert-Hochner-Publizistik-Preises, schließlich die Initiative SOS-ORF, die mittlerweile 74.000 Unterschriften aufweist. Man sollte - die unappetitlichen Vorgänge der letzten Tage hinter sich lassend - diesen Initiativen und ihren Anliegen den Rücken stärken, wo es nur geht.

Leider (auch das wundert den gelernten Österreicher kaum) ist die uneingeschränkte Unterstützung dieser Initiativen enden wollend: In der Presse qualifizierte Michael Fleischhacker SOS-ORF als "angeblich oder tatsächlich parteipolitisch unabhängige Naivenorganisation" die in der "Doku-Soap" der Wrabetz-Wahl "die Idealbesetzung für den nützlichen Idioten" dargestellt habe. Und Gerfried Sperl unterstellt im Standard einmal mehr, dass Armin Wolfs ",Abrechnung' bei der Verleihung des Publizistikpreises" durch dessen "Absetzung" als Interviewer der Sommergespräche motiviert gewesen wäre.

Die mediale Wahrnehmung der ORF-Lage lautet also: Politik, in welcher Konstellation auch immer, agiert in Sachen öffentlich-rechtliche Anstalt schamlos, und der Widerstand - innerhalb wie außerhalb des ORF - gegen deren Parteipolitisierung wie auch gegen deren Kommerzialisierung gilt als medienpolitische Dorftrottelei oder als Agitation aus gekränkter Eitelkeit. Dass es den verschiedenen Initiativen und Initiatoren tatsächlich um einen unabhängigen, journalistisch spannenden und gesellschaftlich notwendigen ORF gehen könnte, konzedieren nur wenige. Viel zu wenige!

otto.friedrich@furche.at

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