Schluss nach der hundertsten Saison

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Ein Paukenschlag: Mit Ende der kommenden Saison verlässt Bernhard Kerres das Wiener Konzerthaus. Als sein Nachfolger ist Matthias Naske vorgesehen.

Dass es die Wiener Konzerthausgesellschaft schwer hat, ist kein Geheimnis: Sie muss sich mit ihrem Programm gegenüber dem Musikverein behaupten und hat zudem aus der notwendigen Renovierung des Hauses einen millionenschweren Schuldenberg abzutragen.

"Wir sind mit der öffentlichen Hand - Bund und Stadt Wien - in den ersten Jahren meiner Intendanz sehr gut weitergekommen und hatten einen Plan, der für alle gut und durchsetzbar war. Dann kam die Wirtschaftskrise dazwischen und damit gab es auch die Sparpläne der öffentlichen Hand. Ich hoffe sehr, dass mein Nachfolger die Möglichkeit hat, in einer besseren wirtschaftlichen Lage darauf zurückzugreifen. Der Schuldenstand beläuft sich auf 6,8 Millionen Euro. Aus eigener Kraft ist das nicht zu schaffen. Wir bedienen die Zinsen, ich gebe aber zu, dass es mir immer wichtiger war, Geld in das Programm zu geben als Schulden zurückzuzahlen“, schildert Bernhard Kerres, seit 2007 als Nachfolger von Christoph Lieben - er wechselte nach Hamburg als Generalintendant an die neue Elb-Philharmonie und muss seither um deren Fertigstellung kämpfen - Intendant des Wiener Konzerthauses, die finanzielle Situation.

UNISONO erfolgreich

Sie hat so manches unmöglich gemacht, wie das geplante Festival neuer Musik zum Wiederhören oder die Fortführung des zweimal über die Bühne gehenden Kurzfestivals "Spot On“. Dafür konnten mit dem Musikvermittlungsprogramm UNISONO in der vergangenen Saison 12.000 Menschen - das entspricht jedem zehnten Wiener Schulkind im Alter zwischen sechs und vierzehn Jahren - erreicht werden. Erfolgreich auch das im Vorjahr mit den Wiener Sängerknaben und der Caritas Wien begonnene Musikvermittlungsprogramm (superar), bei dem 700 Kinder an fünf Wiener Schulen gemeinsam gesungen haben und regelmäßig, unter anderem auch im Konzerthaus, aufgetreten sind.

Um die sieben Prozent macht die Steigerung der Abonnements aus, die in Kerres’ Intendanz erreicht werden konnte, die im übrigen auch exemplarisch nachhörbar ist am Beispiel von Produktionen, die im Konzerthaus entstanden sind - darunter das Schlagwerkkonzert von Friedrich Cerha mit Martin Grubinger und den Wiener Philharmonikern unter Peter Eötvös, Haydns "Londoner Symphonien“ und sämtliche Schubert Symphonien mit Les Musiciens du Louvres Grenoble unter Marc Minkowski oder die Beethoven-Streichquartette mit dem Belcea Quartet.

Trotz dieser Bilanz war für Kerres seit vergangenem Sommer klar, dass er aus seiner Funktion ausscheiden werde - und er hat das seinem Präsidium auch kommuniziert: "Dass ich rund um die 100. Saison gehen werde, weiß ich seit sehr Langem, weil es eigentlich sehr logisch ist. Wenn man sagt, man will nicht ewig dableiben, ist die 100. Saison ein sehr guter Schlusspunkt.“ Wesentlich für seinen Rückzugsentschluss war auch, dass er seine Pläne im Wesentlichen verwirklichen konnte. Man bringe zwar nie alles durch, aber die Kompromisse, die er schließen musste, "waren nie so stark, dass sie auf das, was ich künstlerisch machen wollte, eingeschlagen haben“.

Für die Zukunft beurteilt es Kerres positiv, dass es unter dem neuen Chefdirigenten Philippe Jordan zu einer verstärkten künstlerischen Kooperation mit den Wiener Symphonikern kommen wird. Das ermögliche dem Orchester, seine Markenzeichen deutlicher herauszustellen als bisher. Zur künftigen Ausrichtung des Konzertangebots der Wiener Festwochen - immerhin hervorgegangen aus dem von Egon Seefehlner kreierten Musikfest der Konzerthausgesellschaft - sieht er zwei Möglichkeiten: "Entweder man geht den Weg, den Wien modern in den letzten Jahren sehr erfolgreich gegangen ist, als ein Festival der Stadt, das an verschiedenen Orten stattfindet, oder man sagt, es ist in einem eigenen Haus fix verankert. Heute, wo es alternierend in den beiden Häusern, Musikverein und Konzerthaus, stattfindet, ist das Musikprogramm der Festwochen sehr blass, da wäre ein Umdenken positiv.“

"… größere Perspektive“

Bedeckt hält sich Kerres zu seiner persönlichen Zukunft. Nur soviel: Sie wird weiterhin mit Musik und Kunst zu tun haben, "etwas mit einer größeren internationalen Perspektive“. Genaueres dann zu Jahresende.

Noch hat die für die Bestellung des neuen Intendanten erforderliche Direktionssitzung nicht stattgefunden, die Entscheidung ist längst gefallen: Nachfolger von Kerres wird der 1963 in Wien geborene Jurist Matthias Naske. Er leitete das künstlerische Betriebsbüro des Gustav Mahler Jugendorchesters, war Generalsekretär der Camerata Academica Salzburg und der Musikalischen Jugend Österreich und leitet seit 2003 erfolgreich die neue Philharmonie Luxemburg.

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