Schmachten am Zauberberg

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Mit einer glänzenden "Sonnambula" begeht die Wiener Staatsoper Bellinis 200. Geburtstag.

Der Alleinherrscher des heurigen Opernjahres hieß Giuseppe Verdi. In aller Welt begingen Opernfreunde den 100. Todestag jenes Komponisten, der während der gesamten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die italienische Oper unangefochten dominierte. Ein anderes Gedenkdatum blieb daneben beinahe unbeachtet: der 200. Geburtstag von Vicenzo Bellini, ohne dessen frühen Tod im Alter von nur 34 Jahren Verdi vielleicht nicht jene beherrschende Figur geworden wäre, die er war. Auf die Wiener Staatsoper ist jedoch Verlass: Sie würdigt den 1835 verstorbenen Komponisten mit seinem Belcanto-Klassiker "La Sonnambula".

Belcanto, das heißt: romantische Melodien, Gesang mit üppigen Verzierungen, Schwelgen in Koloraturen. Dass nach Donizettis "Roberto Devereux" abermals ein herrlicher Belcanto-Schmachtfetzen einen Triumph auf der Bühne der Staatsoper feierte, liegt an der Weltklasse-Besetzung: Juan Diego Flórez (Elvino) ist mit seinem schlanken und ausdrucksstarken Tenor ohnehin einer der führenden Belcanto-Sänger, Stefania Bonfadelli (Amina), die für die erkrankte Traumbesetzung Natalie Dessay einsprang, könnte durchaus Mitglied in diesem exklusiven Klub werden, noch fehlt ihr jedoch die Unverwechselbarkeit einer Cecilia Bartoli oder einer Daniela Barcellona. Sie erkletterte die kaum kantabeln Koloratur-Klippen ebenso, wie sie höchstes Glück und tiefstes Leid authentisch zum Ausdruck brachte, etwa im berühmten Duett im ersten Akt (Prendi! l'anel ti dono), wo sie und ihr Partner Flórez sich gänzlich in lyrischen Liebenphantasien verloren. Eine Eigenheit der "Sonnambula" ist ja, dass sich die Heldin in der Schlafwandlerszene nicht, wie in vergleichbaren Szenen anderer Belcanto-Opern, Koloraturexzessen hingibt, sondern im Gegenteil größte Natürlichkeit zum Ausdruck bringt.

Egils Silins als Graf Rodolfo ist absolut solide, die von einer unbarmherzigen Claque verfolgte Simina Ivan (Lisa) kann nicht immer das Staatsopernniveau halten. Das Staatsopernorchester, vulgo Wiener Philharmoniker, unter Stefano Ranzani deckt leider so manchen Ton zu, weniger Lautstärke wäre mehr als angebracht.

Der auf viel Psychologie bedachte Regisseur Marco Arturo Marelli verlegt die Handlung vom bäuerlichen Milieu eines Bergdorfes in die "Zauberberg"-Atmosphäre eines alpinen Luxus-Sanatoriums. Elvino, ein junger Künstler und unreifer Bub, hat beschlossen, ein Mädchen vom Personal zu heiraten und sie zu einer ebensolchen Diva aufzubauen, wie es seine geliebte Mama war. Auf die bloße Möglichkeit, dass sie den für sie ersonnenen Lebensentwurf nicht annimmt, reagiert er trotzig und mit blinder Eifersucht. Den Anlass liefert Graf Rodolfo, der aristokratische Don Juan, dem die schlafwandelnde Amina nächtens über den Weg läuft. Ein letztes Mal darf sie in diesem Zustand sie selbst sein, bevor Elvino am Ende - etwas abrupt - bekommt was er will: eine in roten Samt gehüllte Muse, eine anbetungswürdige, unerreichbare Primadonna. 2 3 4 5 6 7 8 9 100 1 2 3 4 5 6 7 8 9 110 1 2 3 4 5 6 7 8 9 120 1 2 3 4 5 6 7 8 9 130 1 2 3 4 5 6 7 8 9 140 1 2 3 4 5 6 7 8 9 150 1 2 3 4 5 6 7 8 9 160 1 2 3 4 5 6 7 8 9 170 1 2 3 4 5 6 7 8 9 180 1 2 3 4 5 6 7 8 9 190 1 2 3 4 5 6 7 8 9 200 1 2 3 4 5 6 7 8 9 210 1 2 3 4 5 6 7 8 9 220 1 2 3 4 5 6 7 8 9 230 1 2 3 4 5 6 7 8 9 240 1 2 3 4 5 6 7 8 9 250 1 2 3 4 5 6 7 8 9 260 1 2 3 4 5 6 7 8 9 270 1 2 3 4 5 6 7 8 9 280 1 2 3 4 5 6 7 8 9 290 1 2 3 4 5 6 7 8 9 300 1 2 3 4 5 6 7 8 9 310 1 2 3 4 5 6 7 8 9 230 1 2 3 4 5 6 7 8 9 240 1 2 3 4 5 6 7 8 9 250

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