Schneller, höher... besser?

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Das Streben nach Exzellenz im Sport: Was sich aus der Doping-Diskussion für die Frage nach biotechnischen Optimierungsstrategien des Menschen erkennen lässt.

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Das Streben nach Exzellenz im Sport: Was sich aus der Doping-Diskussion für die Frage nach biotechnischen Optimierungsstrategien des Menschen erkennen lässt.

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Der Sport verkörpert wie kein anderer Bereich die "Metapher der Leistung" (Peter Sloterdijk). Er ist ein Symbol zum einen für den harten und mühevollen Weg des Übens und Trainierens, zum anderen für das Streben nach Perfektion und herausragender Leistung. Der sportliche Appell, immer "schnellere","höhere" und "stärkere" Leistungen zu erbringen, wird von den Kritikern des Dopingverbots daher zugleich als Appell für eine künstliche bzw. technische "Verbesserung" des Menschen verstanden. Der Technikphilosoph Achim Grundwald prognostiziert für den Sport daher eine fortschreitende technologische Entwicklung über das klassische Doping hinaus hin zur technischen "Verbesserung" des Menschen. Konsequent zu Ende gedacht, müssten die Kritiker des Dopingverbots eigentlich ein Dopinggebot und nicht nur die Dopingfreigabe fordern.

Ist dies jedoch die Botschaft des Sports? Es fällt auf, dass gerade in einschlägigen Debatten die Frage nach dem Sinn sportlicher Leistungen wie auch allgemein die Frage nach dem Zusammenspiel von Leistung, Perfektion und dem Wert der Steigerung der menschlichen Leistungsfähigkeit eher oberflächlich behandelt werden.

Quantitative vs. qualitative Steigerung

Nehmen wir zur Verdeutlichung der Kritik an einer Perfektionierung des Menschen durch Doping das Beispiel des Kugelstoßens. Mit einer kleineren Kugel ist es sicherlich möglich weiter zu stoßen als mit einer größeren bzw. schwereren Kugel. Würden wir aber sagen, diese Steigerung ist eine Verbesserung unserer Leistung? Haben wir mit der kleineren Kugel nicht letztlich die gleiche Leistung erbracht, auch wenn das gemessene Ergebnis quantitativ gesteigert ist? Können wir uns über diese "Leistungssteigerung" freuen und sollten wir auf sie stolz sein? Und gelten diese Überlegungen nicht in der gleichen Weise auch für künstliche Leistungssteigerungen durch Dopingmittel wie z.B. Anabolika? Inwiefern wird die selbsterbrachte Leistung hier gesteigert oder nicht vielmehr an Technik und Medikamente delegiert?

Das Beispiel macht deutlich, dass eine rein quantitative Steigerung der sportlichen Leistung noch keine Steigerung im qualitativen Sinn bedeuten muss. Auch zeigt es, dass die Kriterien der Leistungszuschreibung, das heißt die Frage der Urheberschaft, gebunden ist an die für die Leistungserbringung erforderliche Anstrengung sowie an das jeweilige Talent bzw. körperlich-geistige Vermögen. Das für den Sport typische Erbringen der Leistung "aus eigener Kraft" hat daher auch außerhalb des Sports viel mit dem Zufriedenheitsgefühl und dem Stolz auf die eigene Leistung zu tun sowie auch mit der Motivation an die je eigenen Leistungsgrenzen zu gehen.

Eine "Demokratisierung" der Begabungen im Sinne einer biotechnischen Gleichstellung des Menschen - "Talente für alle" - wäre problematisch: Wenn jeder alles könnte, nivellierte sich der Begriff der Könner- oder Meisterschaft und wäre ein Gefühl des Stolzes nur schwer vorstellbar. Überhaupt stellt sich die Frage: Ist menschliche Perfektion und Vollkommenheit durch Doping oder eine technische Zurichtung des Menschen möglich?

Kontinuität in unserem Selbstverständnis

"Nihil humani mihi alienum. Homo sum" - "Nichts Menschliches ist mir fremd. Ich bin ein Mensch", lautet das Diktum des römischen Dichters Terenz, das über die Jahrhunderte als grundlegendes Bekenntnis zu unserem Menschsein und damit Ausdruck unseres menschlichen Selbstverständnisses überliefert und rezipiert wurde.

Das gattungsethische Argument ist vielleicht das stärkste, das gegen eine biotechnische Erweiterung des Menschen über den Menschen hinaus spricht. Die "bisherige Beschaffenheit des menschlichen Körpers hat sich als Basis für Handlungen, Werterfahrungen und soziale Normen 'bewährt'", so der berechtigte Hinweis des Philosophen Ludwig Siep. Seinem Vorschlag, "den menschlichen Körper und die zufällige Art der Vererbung von Anlagen als eine Art Natur-bzw. Kulturerbe" zu erhalten, gilt es Beachtung zu schenken, wenn wir die Kontinuität zu unserem bisherigen menschlichen Selbstverständnis wahren wollen.

Gunter Gebauer sieht den Sport und die Dopingdiskussion daher als "ernste Gelegenheit" dafür an, über die Grenzen von Natur und Kultur des Menschen nachzudenken, sowie als Plädoyer für den Erhalt eines "common body". Nach seiner Auffassung soll "nicht alles, was uns das Leben lebenswert macht, in der nächsten Generation zu Gerümpel" werden.

Die Autorin ist Privatdozentin am Institut für Philosophie der Universität Düsseldorf. Der Text ist ein kurzer Auszug aus ihrem Vortrag für das Philosophicum Lech.

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