Schnitte zum straffen Glück

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Ästhetische Operationen erfreuen sich steigender Beliebtheit. Viele Frauen erhoffen sich von prallen Brüsten oder abgesaugten Schenkeln nicht nur mehr Attraktivität, sondern auch mehr Zufriedenheit. Ein Trugschluss?

Die eine, zarte 16, kommt mit ihren Eltern an der Hand: Sie könnten den täglichen Psychoterror wegen der zu kleinen Brust nicht mehr ertragen. Die andere, reife 50, kommt mit festen Absichten: Eine frisch gefüllte Oberweite soll helfen, ihren Mann zurückzugewinnen - aus den Armen einer Frau, die kaum älter als zarte 16 ist.

In der Ordination von Dagmar Millesi in der Wiener Innenstadt soll für beide Frauen der Königsweg zum Glück beginnen - mit ein paar Schnitten und ein wenig Silikon. Glaubt man den Informationsbroschüren im schmucken Wartezimmer, werden ihre Erwartungen erfüllt: "Beauty ist machbar", steht auf den lachsfarbenen Foldern zu lesen, "Perfektes Dekolleté dank OP!" und "Per Skalpell zu XXL". Angesichts solch vollmundiger Sätze gesteht Millesi selbst ein wenig Unbehagen ein: "Mit diesem Slogan bin ich nicht wirklich zufrieden", erklärt sie in grünes Operationsgewand gehüllt. "Ich bin nur bis dato nicht dazugekommen, ihn zu ändern."

Mehr Brust für den Liebsten

Kein Wunder: Die bekannte plastische Chirurgin hat alle Hände voll zu tun. Ob Brustaufbau, Faltenunterspritzung, Nasenkorrektur, Tattoo-Entfernung, Oberschenkelstraffung, Lidkorrektur oder Facelift: Über 800 Mal jährlich - drei bis sechs Mal pro Arbeitstag - schneidet, spritzt oder saugt Dagmar Millesi Frauen und Männer nach deren Vorstellungen von Schönheit zurecht.

Allerdings nur dann, wenn die Klienten selbst unter ihrem körperlichen Makel leiden. Will eine Frau mit einer üppigeren Brust um 6.280 Euro nur ihren untreuen Gatten zurückerobern, packt die Ärztin nach eigenen Angaben das Skalpell erst gar nicht aus: "Solchen Frauen muss man im Beratungsgespräch erklären, dass sich ihr Problem mit einer Operation nicht lösen lässt." Auch Eingriffe an Minderjährigen lehnt sie ab - außer die Eltern sind dafür und die betreffende Person körperlich ausgereift. "Unlängst kam ein 17-jähriges Mädchen mit extremer ,Reithosen'-Deformation zu mir. Ich habe sie operiert, weil das wirklich entstellend war", erzählt Millesi im Furche-Gespräch. "Als das Mädchen wenig später wiedergekommen ist, um auch die Knieinnenseite absaugen zu lassen, habe ich aber abgelehnt."

Dass Klientinnen immer wieder kommen, ist für die ehemalige Psychiaterin nichts Neues. Die Sucht nach Operationen bzw. die übermäßige Beschäftigung mit einem eingebildeten oder überbewerteten Makel - genannt Dysmorphophobie - sei bereits zur Modeerkrankung avanciert, meint Millesi: "Viele glauben, jede kleine Falte sofort korrigieren zu müssen." In solchen Fällen sei die Unzufriedenheit nach einem ästhetisch-chirurgischen Eingriff vorprogrammiert. Daher lehne sie ab einer gewissen Anzahl von Operationen weitere Eingriffe ab. "Die Betroffenen gehen dann eben zu jemand anderem. Letztlich erreichen sie aber das, was sie wollen."

Solche psychische Körperbildstörungen haben unterschiedlichste Ursachen, erklärt die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger: "Wenn während der Adoleszenz ein negatives Image von Weiblichkeit vermittelt wird oder wenn man vorgelebt bekommt, dass es nicht in Ordnung ist, wie man ist, kann sich keine positive körperliche Identität entwickeln." Ähnlich wie Magersüchtige, die sich trotz skeletthafter Formen im Spiegel noch immer als dick empfinden, fixieren sie vermeintlich missratene Körperpartien wie Schenkel, Po, Nase oder Ohren. "Das führt in eine negative Spirale der eigenen Minderwertigkeit", weiß Wimmer-Puchinger. Eine Operation erscheint als einziger Ausweg zum persönlichen Glück.

Therapie mit dem Skalpell

Nicht selten werden deshalb ästhetische Chirurgen als "Therapeuten mit Skalpell" tituliert. Zum Teil mit Recht, gesteht Manfred Frey, Vorstand der Abteilung für wiederherstellende und plastische Chirurgie am Wiener AKH. "Äußerlich wahrnehmbare Veränderungen bringen oft auch innere Veränderungen mit sich. Deshalb muss sich jeder Schönheitschirurg bewusst sein, welch einschneidenden Beruf - im wahrsten Sinn des Wortes - er ausübt."

An Medizinern, die sich für diese Tätigkeit berufen fühlen, herrscht in Österreich kein Mangel: Grundsätzlich darf selbst jeder praktische Arzt, der sich dazu in der Lage fühlt, ästhetische Eingriffe durchführen. Sehr zum Leidwesen der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, die auf die alleinige Kompetenz plastischer Chirurgen für ästhetische Operationen hinweist und klarere Regelungen am wachsenden Schönheitsmarkt fordert: "Nach dem Ärztegesetzt gibt es hier überhaupt keine Begrenzung: Jeder Allgemeinmediziner, der sich vertiefende Kenntnisse angeeignet hat, darf Brustvergrößerungen oder Fettabsaugungen durchführen", klagt Manfred Frey, der auch als Sekretär der Gesellschaft tätig ist. Regelrechte Scharlatanerie ortet Frey in den viel beworbenen Schönheitskliniken in Ungarn oder Tschechien, die vergleichsweise günstige Operationen anbieten: "Hier werden manche Eingriffe in Lokalanästhesie gemacht, wo ein Operationssaal in einem Krankenhaus nötig wäre."

So undurchsichtig wie die Kompetenzenverteilung bei ästhetischen Operationen in Österreich ist auch ihre Anzahl, weiß Frey: "Der Großteil solcher Eingriffe wird nicht in öffentlichen Krankenhäusern vorgenommen, weil die Versicherungen nichts zahlen - außer es wird eine Körperfunktion wiederhergestellt."

Die Grenze zwischen ästhetischen und rekonstruktiven Eingriffen ist dabei fließend, weiß der plastische Chirurg. Umso mehr ärgere es ihn, wenn Menschen, die sich einer Schönheitsoperation unterziehen, als verrückt oder unterbeschäftigt dargestellt würden: "Niemand ereifert sich darüber, wenn man jemandem nach einem Unfall eine schiefe Nase gerade stellt. Wenn aber jemand eine angeborene schiefe Nase hat, dann ist es eine Schönheitsoperation und unnotwendig", wundert sich Frey.

Auch die Wiener Hautärztin Doris Grablowitz kann die Kritik an der steigenden Anzahl ästhetischer Operationen nicht verstehen: "Die Menschen haben seit jeher nach Schönheit gestrebt. Sie haben Bleiweiß benutzt um ihren Teint zu verschönern. Auch vor 200 Jahren haben sie ihre Falten gestört, nur besteht heute die Möglichkeit, sie ohne starke Nebenwirkungen wegzubekommen", erklärt Grablowitz. Seit zehn Jahren rückt sie hängenden Mundwinkeln und Zornesfalten mit Injektionen des Giftes Botulinom Toxin (Handelsname "Botox") zu Leibe: Wie viele Injektionen sie jährlich verabreicht, will Grablowitz nicht verraten, bundesweit schätzt sie jedoch die Zahl an Botox-Spritzen (Kostenpunkt: 300 bis 800 Euro) auf rund 15.000. Die Nebenwirkungen seien minimal, so Grablowitz.

Für Nebenwirkungen anderer Art hat ihre Artikel-Serie "Die Krone' der Schönheit" im bunten Mantel der Sonntags-Krone gesorgt, die den Möglichkeiten und Grenzen ästhetischer Eingriffe gewidmet ist. Manche Kollegen mutmaßen dahinter reine Eigenwerbung. Im Furche-Gespräch verteidigt sich Grablowitz: "Erstens habe ich diese Artikel nicht bezahlt, sondern sie wurden mir bezahlt. Zweitens war es meine Intention, den Österreichern ein seriöses Bild über die ästhetische Medizin zu geben: Macht bei diesem dummen Boom nicht mit!" Anders als in Amerika, wo Botox-Parties, Mumienmasken oder Einheitsnasen keine Seltenheit wären, habe man sich hierzulande ohnehin "sehr vorsichtig zur Schönheit hinentwickelt", freut sich Grablowitz.

Schönheit mit Todesfolge

Doch auch diese sachte Entwicklung kann lebensgefährliche Folgen haben. Allein im Jahr 2002 wurden dem Wiener Patientenanwalt Walter Dohr vier Fälle gemeldet, bei denen im Rahmen einer Fettabsaugung versehentlich die Lunge angestochen worden war. "Es gibt zwei, drei schwarze Schafe, die auch die Kooperation mit dem Patientenanwalt verweigern", klagt Dohr. Gerade ästhetische, also medizinisch nicht notwendige Eingriffe bedürften daher im Vorfeld einer intensiven Beratung über mögliche Risiken. "Hier ist der Schönheitschirurg aber im Dilemma", weiß der Patientenanwalt: "Wenn er den Eingriff zu genau erklärt, werden nicht wenige abgeschreckt."

Für Beate Wimmer-Puchinger ein Grund mehr, in der Schönheitschirurgie auf klare Begriffe zu pochen: "Hier geht es nicht um Patienten, sondern um gesunde Menschen. Nur werden sie, wenn etwas schief geht, zu Patienten gemacht."

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