Schöner wohnen, global

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"Wohnmodelle - Experiment und Alltag": Eine Ausstellung im Wiener Künstlerhaus konfrontiert die Idee mit der Wirklichkeit. Zwölf Projekte, die international Furore machten, werden als Kartonmodelle und im Alltagsgebrauch aus der Perspektive ihrer Bewohner gezeigt.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis des Menschen, die Planung qualitativ hochwertiger, sozialer Wohnbauten eine Königsdisziplin der Architektur. An der Schnittstelle von Staat und Individuum sind sie auch Indikatoren für die Werte und Probleme einer Gesellschaft. Oliver Elser und Michael Rieper kuratierten die Schau "Wohnmodelle - Experiment und Alltag" im Wiener Künstlerhaus. Sie stellt zwölf besonders innovative Projekte aus aller Welt vor und lässt auch Bewohner zu Wort kommen.

Kurz vor der Schlüsselübergabe wird Architektur am liebsten und öftesten publiziert. Dabei zeigt sich erst im Gebrauch, ob sie auch so gut ankommt, wie sie aussieht, und so funktioniert, wie sie gedacht war. "Wir wollten die Thesen zu Wohnmodellen einem Reality-Check unterziehen und den Bewohnern eine Stimme geben", so Oliver Elser. Korrespondenten sammelten ihre Eindrücke, Daten und Fakten zu den Bauten ein und forderten deren Bewohner zum Fotografieren auf. Ihre Bilder und Kommentare sind in der Schau zu sehen, Pläne und Modelle, die Architekturstudenten bauten, repräsentieren die Idee dahinter.

Halbe Fläche, doppelter Gewinn

Die meisten sozialen Wohnbauten in Chile liegen weit außerhalb der Städte, weil Grundstücke dort am billigsten sind. Das benachteiligt die ärmsten Bevölkerungsschichten noch mehr. Ihre Integration in das Stadtgebiet mit seiner sozialen Durchmischung und öffentlichen Infrastruktur ist das Hauptanliegen des Architektenteams Elemental (Alejandro Aravena, Alfonso Montero, Tomás Cortese, Emilio de la Cerda, Andrés Iacobelli).

Ihr Budget für die Siedlung Quinta Monroy in Iquique lag bei maximal 7500 US-Dollar pro Einheit. Um sie trotzdem in der Stadt bauen zu können, musste die halbe Wohnfläche eingespart werden. Dafür fand sich eine partizipative Lösung: Sichtbetonsteine und Stahlbeton bilden den erdbebensicheren Rahmen für zweistöckige Einheiten zum Selbstausbau. Ein Teil davon wurde errichtet, den Rest machten die Bewohner mit viel Geschick und Kreativität selbst. "Die Häuser sind geräumig, auch wenn sie klein aussehen", meint einer von ihnen.

Das Erdgeschoß hat etwa 30 m2, dank Treppe und Flachdach kann man es auf 72 m2 aufstocken. Eine Einheit wurde im Maßstab 1:1 aus Karton nachgebaut und lässt sich beschreiten. Die vielen bunten Varianten seiner belebten Wirklichkeit sind auf den Fotos zu sehen. Daneben kann man auf vorgezeichneten Grundriss-Pfaden zwischen den Räumen des Moriyama House in Tokio umherwandern. Ryue Nishizawa entwarf das Gebäude mit den sechs Zentimeter dünnen Wänden, dessen Mietwohnungen als kleine Boxen frei im Garten stehen.

Für Wanderarbeiter aus Lateinamerika, die eine Aufenthaltsgenehmigung haben, plante das Faleide Architecture Studio die sympathischen Reihenhäuser von "Tierra Nueva" in Colorado, USA. Früher lebten sie in Lagern. "Hier haben sie eine Wohnmöglichkeit, die sauber, erschwinglich und sicher ist", sagt Jonathan Valdez, der Verwalter. Die Mieten sind günstig, es gibt viele Schlafzimmer für große Familien, die Materialien halten den Bleichmitteln stand, mit denen sie zu putzen pflegen.

Mit ein paar Bekannten gründeten die roedig.schop architekten in Berlin die Baugruppe A52, um das städtische Wohnhaus "ten in one" zu realisieren. Der Hof und die 99 m2 große Dachterrasse mit Gästequartier sind für alle da, stützenfreie Etagen ließen beim Wohnen viel Gestaltungsspielraum. "Wir wollten die Geschichten dieser Bauten erzählen: den Idealismus, die Absicht dahinter, die Realität, die Identifikation mit dem Objekt und der Umgebung", so Michael Rieper. "Außerdem bemühten wir uns, die realen Kosten zu recherchieren. Günstig Wohnen ist in der Schweiz nicht viel teurer als in Österreich."

Gemeinsam statt einsam

Der Bau der Wiener Sargfabrik mit ihrem überbordenden Gemeinschaftsangebot war widmungstechnisch nur als Wohnheim möglich. Über zehn Jahre brauchten die Architekten bkk-2 und der Verein zur integrativen Lebensgestaltung, um ihre Vorstellungen vom gemeinsamen Wohnen in einem dynamischen, orangen Baukörper zu materialisieren. An Laubengängen, Stiegen und Rampen lebt man nun in lichtdurchfluteten Maisonetten mit grünem Hof, Dachterrassen, Biotop, Kindergarten, Restaurant, Kultur - und eigenem Badehaus. Fluktuation gibt es kaum, dafür aber schon einen Ableger: die Miss Sargfabrik.

Das normierte Gegenmodell steuerte die Werbeagentur Jung von Matt bei: Sie richtete mit den häufigsten Produkten ein statistisch korrektes, 4,88 x 5,33 Meter großes Durchschnittswohnzimmer ein. Das lässt sich nur vor Ort erleben, alle anderen Wohnmodelle sind auch im Katalog dokumentiert. Sehr empfehlenswert.

"Wohnmodelle - Experiment und Alltag"

künstlerhaus k/haus

1010 Wien, Karlsplatz 5, www.k-haus.at

bis 22. 2. 2009, tägl. 10-18, Do 10-21 Uhr

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