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Die Schönheit kann nur erfassen, wer begriffen hat, dass sie zweckfrei ist. Ich gebe es zu, mein Nachbar hat sich heuer ein Gerät angeschafft, das ich anfangs nicht recht zu würdigen wusste. Darum schaute ich hinter dem Vorhang meines Arbeitszimmers argwöhnisch in seinen Garten hinüber, von wo er verstohlen und triumphierend zugleich zu mir herauflugte. Seine Neuerwerbung sieht ein bisschen aus wie ein Staubsauger, aber sie saugt nicht, sondern bläst. Damit schreitet er täglich einmal auf dem Gehsteig die Grenze seines Grundstücks ab und mehrmals in der Woche in seinem Garten herum. Das Gerät gibt ein durchdringendes Tuten von sich, nicht unähnlich dem einer Schiffsirene, nur ist dieses Tuten lang anhaltend, genau genommen hält es so lange an, bis man den ganzen Apparat, der mit seinem Tuten und Blasen identisch ist, abschaltet.

Nun kauft aber niemand ein technisches Gerät, um es abzuschalten. Hat mein Nachbar das seine in Betrieb genommen, bläst es das Laub, das auf der Straße oder dem Rasen liegt, tutend vor sich her (man verstehe das geflügelte Wort, wonach einer von Tuten und Blasen keine Ahnung habe, im Lichte technischer Innovationen neu), das sieht witzig aus und führt dazu, dass an einer bestimmten Stelle alles Laub auf einem Haufen liegt. Der Haufen kann dann mittels eines Rechens in eine Schaufel und von dort in den dafür vorgesehenen Behälter befördert werden. Warum man das Laub im Garten nicht gleich mit einem Rechen und das auf der Straße mit einem Besen aufhäuft? Nun eben drum! Weil es nicht um den schnöden Zweck, sondern das sinnfreie Spiel geht! Und außerdem: Was hätte mein Nachbar zu triumphieren, wenn er für mich mit einem ordinären Rechen statt mit dem eleganten "Laubbläser" in seinem Garten herumginge? Die Schönheit ist es, die uns verbindet.

Der Autor ist Schriftsteller und Literaturkritiker in Salzburg.

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