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"Divine Heroes" in Graz: Der Einfall des Göttlichen zwischen Sport und Kunst.

Der ewig junge Jesus hat durch die Jahrhunderte viele Moden des angemessenen Out-fits durchmachen müssen. Nachdem das historisch einmalige Hosanna an den Messias schon lange verklungen war, erlebte er als Jesus Christ Superstar vor ein paar Jahren ein geradezu gigantisches so genanntes Revival. Gerade der Eingang in die massen(ver)führende Pop-Kultur bescherte ihm eine neue herausragende Position - an der einige andere zumindest in Form von Geld großen Nutzen gezogen haben. Für jetzt stellt sich die Frage, ob Jesus auch ein Sportler war. Vielleicht als Marathongeher? Oder in der Disziplin des zielgerichteten Eselreitens? Oder als Olympionike in der Segelregatta? Dabeisein ist hier schließlich das Wichtigste. Oder erfand er überhaupt eine neue Wassersportart, das Wasserlaufen? Von Petrus zwar versucht, seit damals aber kaum mehr nachgeahmt.

"Rapid is mei Religion"

Sicherlich weit gefehlt. Dennoch weisen Elemente, die wir aus dem religiösen Bereich kennen, erstaunliche Ähnlichkeiten mit jenen aus dem Bereich des Sports auf. Vorgeführt werden einige dieser Ähnlichkeiten durch künstlerische Beispiele, wie sie die Ausstellung Divine Heroes in den Minoriten Galerien in Graz zeigt.

So treffen in dieser Ausstellung eigentlich drei Gegnerspieler um die öffentliche Gunst zu friedlichem Gedankenaustausch aufeinander, die sich andernorts heftige Gefechte um Marktanteile liefern. Längst schon baut die Kunst ihre Kathedralen, durch die Kunstbesessene andächtig pilgern und den neuen Götterbildern devot ihre Verehrung entgegenbringen. Der berühmt-berüchtigte Ausspruch "Rapid is mei Religion" erklärt, warum viele Ministranten am Sonntag Vormittag lieber am Fußballplatz sind. Die Befreiung aus der religiösen Umklammerung, wie sie die Säkularisierung für alle Lebensbereiche proklamiert hatte, scheint wieder zurückgebogen in jene archaischen Zeiten, als sportliche Spiele noch für die Götter veranstaltet wurden. Gerade die Fotos von Julie Henry illustrieren dieses Verdammtsein des Menschen zur Religion: Fußballfans spielen in ihrer Mimik und Gestik Verhaltensweisen durch, wie sie üblicherweise in einem liturgischen Kontext auftreten. Die Heroen, Götterboten einer auf das irdische reduzierten Transzendenz, erlauben es den Fans, aus der Banalität des Alltages herauszutreten, aufgefangen in der Gemeinschaft der Fußballgläubigen entweder in den siebten Himmel des allgemeinen Torjubels zu entschweben (vgl. Offb 5, 13) oder aber in der vergebenen Ausgleichschance zerknirscht die Vorhölle der vergebenen Talente (vgl. Mt 25, 28-30) zu betreten. Die profanisierte Allmacht nehmen auch Tina Bara und Alba d'Urbino in ihrem Projekt "Siegerehrungen" auf die Schaufel. Erfolgreiche Schwimmerinnen aus der DDR, die in den 50er bis 70er Jahren zu den übermenschlichen Garanten des Regimes gehörten, stehen heute nochmals auf den Startblöcken des Leipziger Trainingsbades - und erinnern nur mehr an Katalogfotos für Bademoden für "50 plus". Ähnlich süffisant nähert sich der englische Fotograf Paul M. Smith dem Phänomen Fußball, wenn er Robbie Williams gleichzeitig Spieler von Team und Gegenteam, Trainer, Fan, Schiedsrichter und Teamarzt sein lässt. Die perfekte Bildtäuschung lässt das Spiel des Fußballgottes in sich zusammenbrechen.

Der Sport wirkt der Entmythologisierung durch eine Verzauberung auf Zeit entgegen und gibt den Menschen einen Ort mit klaren Regeln vor. Sollte man meinen - bis Grazia Toderi in ihren Videos ein Fußballfeld einmal in einen gleißenden Lichtkristall einer Apotheose gleich verwandelt oder zu einem dunklen Loch mutieren lässt, das zwischen metaphysischer Raumöffnung und alles aufsaugendem Schwarzem Loch anzusiedeln ist. Wenn die Künstlergruppe Kamera Skura eine überlebensgroße Christusfigur als Athlet im Sportlerdress zwischen Videos von jubelnden Fans unter einem künstlich-funkelnden Sternenhimmel wie in der Kreuzigungsposition Ringeturner schweben lässt, heißt es noch einmal nachfragen, ob Jesus ein Sportler war. Als der hier in einer Leserichtung vorgestellte Superstarheroe ist es wohl ein Missverständnis, dem umgekehrt auch viele Christen in ihrer Jesusverniedlichung als allmachtsversprühenden Übermenschen aufsitzen. Uri Tzaig lässt in seinem Video "Infinity" Einheitssportler ohne Startnummern oder Werbeaufschriften ein Ballspiel vorführen, das noch keine Regeln kennt. Bloß die Begrenzungen durch weiße Bänder geben einen fluktuierenden Rahmen vor. Wie bereits in der Vorgängerarbeit "Play" wird der Sport als Regelwerk aufgehoben zu einer Choreografie als künstlerische Schöpfung.

Keine starre Ordnung

Der französische Jesuit François Euvé charakterisiert das Spiel als Verbindungslinie zwischen Religion, Kunst und Sport in seinem Buch "Penser la création comme Jeu" folgendermaßen: "Spricht man von der Schöpfung als einem Spiel, sagt man zunächst einmal, dass sie nicht in einer starren Ordnung an einen fixen Platz gestellt ist, sondern man spricht von einem Rahmen aus Referenzen; es bedeutet, sich vom kunsthandwerklichen' Modell, vom Bild Gottes als des Architekten' einer Kosmo-Theologie' zu befreien."

Es gibt das Spiel in der Schöpfung, weil die Hoffnungen und Versprechungen als Tanz der Auserwählten ausgedrückt werden können, weil die Trampelpfade vergessen werden können, wie von Kindern, die lachen und spielen. Davon künden auch einige divine heroes.

Divine Heroes

Minoriten Galerien im Priesterseminar, Bürgergasse 2, 8010 Graz

Bis 5. September

Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr

Zur Ausstellung erscheint ein Themenheft des int. Magazins "Kunst und Kirche" zum Thema "Sport &Kult"

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