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Bibel und Ökologie: Nicht Gestirne oder Tiere sind die Götter. Der Mensch darf sich der Natur bedienen - und muss sie pflegen.

Die abrahamitischen Religionen, vor allem Judentum und Christentum, sind in der Ökologiedebatte der siebziger Jahre in Verruf gekommen. Mit dem Schöpfungsauftrag Gottes an die Menschen: "Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen" (Gen 1,28), wurde gleichsam der Monotheismus als Ursache der Umweltzerstörung enttarnt.

Wie in vielen Irrtümern, so ist auch in diesem eine Teilwahrheit enthalten. Denn die christliche Bibel legt von der Schöpfung an dem Menschen seine Umwelt als Werkzeug in die Hand - und unterwirft ihn nicht mythologisch den Naturgottheiten. Sie ist somit anthropozentrisch - auf den Menschen als Zentrum fokussiert. Anders als im religiösen Umfeld des antiken Judentums gibt es keine Naturgötter, sondern eine von Gott aus Liebe geschaffene Eigenständigkeit der Dinge. Der Mensch ist tatsächlich Krone der Schöpfung, insofern nur ihm allein der Ehrentitel zugesprochen wird, er sei nach Gottes Ebenbild (vgl. Gen 1,26) geschaffen.

Sonne, Mond...: keine Götter

Es ist vielleicht doch kein Zufall, dass die modernen Naturwissenschaften seit dem Humanismus in der "christlich" geprägten Zivilisation Europas aufgeblüht sind. Und schon gar nicht, dass Juden einen weitaus überproportionalen Anteil am abendländischen Wissenschafts- und Geistesleben hatten. Anders als die babylonische oder ägyptische Hochkultur stellt die Jüdische Bibel, das christliche Alte Testament, Sonne und Mond nicht als Götter, sondern als Lichter (Gen 1,14f) hin, die dem Menschen leuchten sollen. Der Mensch als Krone der Schöpfung darf sich demnach die geschaffenen Dinge der Natur zu Dienst nehmen, ja es wird sogar angedeutet, dass diese zu seinen Diensten erschaffen worden seien.

Ab wann missbraucht der Mensch sein Wissen, den Auftrag, sich die Natur "zu unterwerfen" als Freibrief für eine Terrorherrschaft, die die eigenen Lebensgrundlagen zerstört und andere Arten rücksichtslos austilgt? Der Mensch kann offensichtlich seine Verfügungsgewalt über die Natur (etwa durch das Erkennen von Naturgesetzen) missbrauchen. Er kann den Garten Eden, in den er gesetzt wird, zur Wüste machen, kann mit Hilfe seiner Überlegenheit Tiere und Pflanzen ausrotten ... Aber der Schöpfungsauftrag ist eindeutig nicht in diesem Sinn formuliert. Er sagt nicht, was der Mensch genau zu tun habe, stellt alles aber in den Kontext eines wundervollen Gartens, wo man von den Früchten der Natur leben kann, ohne Ackerbau betreiben oder schwer arbeiten zu müssen.

Naturwissenschaft entsteht

Die neuzeitliche Naturwissenschaft beruht auf der kulturellen Selbstbefreiung des Menschen, sich zu erlauben, Tiere und Gestirne nicht als Götter anzusehen, die sich beleidigt rächen werden, wenn er hinter ihre Geheimnisse kommt etc. Dass der Mensch das gewagt hat, ist ein Impuls aus der jüdisch-christlichen Geistigkeit. Zu ihm muss natürlich noch vieles hinzugedacht werden, was nicht ursprünglich jüdisch-christlich ist: die griechisch-römische Antike und der sich im frühen Mittelalter ausbreitende Islam haben nachhaltig auf die europäische Geisteswelt eingewirkt, sie inspiriert und gewandelt. Auf diesem Nährboden sind die modernen Naturwissenschaften gewachsen, auf ihm haben Forscher und Weltreisende - oft ausdrücklich theologisch motiviert - die bahnbrechenden Entdeckungen gemacht, die die Neuzeit prägen.

Insofern ist eine Mitverantwortung der christlich-abendländischen Kultur für die Krisen der Wissenschaft, ihren Auswüchsen und Egoismen nicht zu leugnen. Vom christlich gerechtfertigten Kolonialismus zieht sich dieser Vorwurf bis zur Ökokrise. Dabei ist aber festzuhalten, dass die Kirchen oft kritisiert wurden, weil sie zu viel Zensur ausgeübt haben: mit dem Verbot bestimmter wissenschaftlicher Forschungen, der Gängelung der Universitäten durch das Lehramt etc.

Wenn Wissenschaft einmal freigesetzt ist, sind auch Auswüchse möglich. Es gibt allerdings nicht den Weg zurück. Denn Erkenntnisse und ihre Folgen können nicht ungeschehen gemacht, sondern nur durch neue Erkenntnisse und - humane - Gesetze gezügelt werden. Wie man es auch dreht: Der jüdisch-christliche Nährboden hat die Naturwissenschaften ermöglicht. Dabei ist er selbst von einem feinen ökologischen Bewusstsein durchzogen, das dem Menschen keinesfalls Ausbeutung der Natur, sondern behutsamen Umgang nahe legt: der Mensch, auf Grund seiner Überlegenheit, soll sich wie ein Gärtner verhalten.

Jüdische Bibel und Ökologie

A. P. Hüttermann ist Biologe (Forstbotanik) in Göttingen, nebenher Honorary Fellow der Hebrew University of Jerusalem und Mitherausgeber der "Encyclopaedia of Judaism". Gemeinsam mit seinem Sohn, dem Chemiker A. H. Hüttermann, legt er eine Studie vor, die sich mit dem ökologischen Verhältnis des alten Israel zu seiner wüstenhaften Umwelt befasst. (A. P. und A. H. Hüttermann, "Am Anfang war die Ökologie, Naturverständnis im Alten Testament", Verlag Antje Kunstmann, München 2002). Seine wesentliche Quelle - neben naturwissenschaftlichen Daten über die Ökologie des Nahen Ostens - ist das Alte Testament. Von den Plagen, die über Ägypten kommen, damit das versklavte Volk Israel in die Freiheit ziehen darf über die kultischen Reinheits- und Nahrungsgebote bis hin zu der Fähigkeit des alten Judentums, sich von naturwissenschaftlichen Kenntnissen anderer Völker inspirieren zu lassen - und diese nicht als Gottheiten und Dämonen zu fürchten, legt er eine Art Ökologiegeschichte der Jüdischen Bibel dar.

Hüttermann wendet sich gegen die Simplifizierung oder mythologische Auslegung vieler Vorschriften in Israel. Er meint, dass viele Gebote des Heiligkeitskeitsgesetzes und des Deuteronomiums (z.B. das Verbot bestimmte Tiere zu essen, Hygiene- und Reinheitsvorschriften, Erntebeschränkungen, Sabbatjahre etc.) von größter ökologischer Weisheit getragen waren. Nach heutigem Wissen haben nur diese Vorschriften Israel im Unterschied zu den meisten Wüstenvölkern ein Überleben in der kargen Region ohne Seuchen, Hungersnöte etc. ermöglicht. Die westliche Welt sei irregeleitet durch romantische Malereien aus dem Leben Jesu: Nach Hüttermann trifft eher der Film "Das Leben des Brian" die ökologische Realität des alten Israel.

Kein Tyrann der Schöpfung

Die beiden Autoren Hüttermann treffen sich in diesem Punkt übrigens mit dem Theologen Franz Segbers (Franz Segbers, "Die Hausordnung der Tora, Biblische Impulse für eine theologische Wirtschaftethik", Edition Exodus, Luzern 2002). Das Heraustreten des Menschen aus einer mythologisch ihn beherrschenden Welt ist möglicherweise eine Gefahr für die Ökologie. Es ist aber zuallererst eine Befreiung des Menschen und die Möglichkeit zu überleben, indem die Gesetzmäßigkeiten der Natur erkannt werden. So verstanden, ist der biblische Auftrag der Schöpfung nicht der der Unterwerfung, sondern der Auftrag, Verantwortung zu übernehmen: der Mensch ist nicht Tyrann, sondern Gärtner der Schöpfung und er soll sie so gestalten, dass sich von ihr und in ihr leben lässt - für alle.

Der Autor ist im Pastoralamt der Diözese Linz als Referent für Friedensbewegung und Sozialethik tätig.

Informationen zum Jahr der Bibel, das in Österreich vom Katholischen Bibelwerk und der evangelischen Österreichischen Bibelgesellschaft getragen wird, finden sich im Internet unter: www.jahrderbibel.at

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