„… schon mit dem Neuen vertraut?“

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Die Kraft, eine Kultur zu schaffen, die den Menschen auch unserer Zeit ganz nahe an die Grenze zum Wunder und zum Geheimnis führt, scheint der Kirche im heutigen Europa abhanden gekommen zu sein. In Wien ist gerade die erste von drei großen Diözesanversammlungen zu Ende gegangen. 1200 Delegierte waren im Stephansdom versammelt. An die Öffentlichkeit ist das kaum gedrungen. Es scheint die Sprache zu fehlen, um einer der Kirche gegenüber distanzierten Öffentlichkeit etwas vom Zauber des Glaubens schmackhaft zu machen.

Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit, einen neuen Film der österreichischen Regisseurin Jessica Hausner zu sehen: „Lourdes“. Gezeigt wird der Aufenthalt einer von Maltesern begleiteten Gruppe von Menschen in Lourdes. Eine Wallfahrt, die für die Kranken begleitet ist von der Hoffnung auf Heilung, der Hoffnung auf ein Wunder. Der etwas kühl gehaltene Film ist äußerst behutsam gestaltet. Er führt ganz nahe an die Grenze zum Wunder, zum Geheimnis heran.

Jessica Hausner ist meines Wissens ungläubig, zumindest nicht gläubig im gut katholischen Sinn. Was aber in der kirchlichen Verkündigung nur selten gelingt, ist hier zu entdecken. Ob es wahrgenommen wird, ist eine andere Frage. Denn viele leben Aug in Aug mit dem Wunder. Aber sie sehen es nicht, sie hören es nicht. Wir sind eine Gesellschaft, die in Gefahr ist, den Sinn für das Wunder zu verlieren.

Für das, was der große Juan Ramón Jiménez in seinem Gedicht „Meere“ zur Sprache bringt: „Ich spür’, dass mein Schiff, / dort in der Tiefe, auf etwas Großes / gestoßen ist. / Und nichts / geschieht! Nichts … Ruhe … Wogen / – Nichts geschieht; oder ist alles geschehen, / und wir sind schon mit dem Neuen vertraut?“

Wir meinen, es müsste immer etwas geschehen. Vielleicht ist das unser Fehler?

* Der Autor ist Kunsthistoriker und Rektor der Jesuitenkirche in Wien

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