Schon wieder das Kopftuch

Seit Jahren wird das Thema Kopftuch kontrovers und emotional diskutiert. Kopftuchtragende Musliminnen sind immer wieder mit kritischen Anfragen konfrontiert und müssen sich ständig rechtfertigen. Politiker wie Journalisten fragen mich ständig danach, wie das mit dem Kopftuch im Islam aussieht, ist das ein religiöses Gebot? Wo steht was im Koran darüber? Meine Antwort lautet: Es geht hier weniger um einen theologischen Diskurs, sondern um die Menschen selbst, die Frauen, die das Kopftuch tragen und dies für sich als Praxis ihrer Religiosität sehen. Es geht somit nicht um eine theologische Debatte, sondern um eine gelebte Praxis und um den Umgang mit der religiösen Vielfalt in der pluralen Gesellschaft.

Inzwischen tragen immer mehr junge Mädchen das Kopftuch aber nicht wirklich als spirituelle Haltung, die gewisse Demut im Herzen zum Ausdruck bringen will. Viele meinen, ihre Reize vor den Männern bedecken zu wollen. Ich bin jedoch skeptisch, ob diese Mädchen selbst daran glauben, dass Haare wirklich ein sexueller Reiz sind. Viele wiederholen viel mehr unreflektiert das, was sie gehört haben. Denn meist sind es ja die Männer, die die Frau zum Sexobjekt stilisieren wollen.

Das Kopftuch spielt in den letzten Jahren eine immer stärkere identitätsstiftende Rolle. Und je mehr die Mehrheitsgesellschaft vermittelt, dass sie das Kopftuch der Muslime ablehnt, ja gesetzlich verbieten will, umso attraktiver wird es gerade bei denen, die sich von der Gesellschaft unterdrückt oder diskriminiert fühlen. Dieser Entwicklung können wir nur dann entgegenwirken, wenn wir es schaffen, Muslimen zu vermitteln, dass wir in einer modernen pluralen Gesellschaft genug Platz für das haben, was für sie wichtig ist, dann verliert das Kopftuch an politischer Symbolkraft und wer es trägt, wird dies für sich spirituell begründen müssen.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster