Schon wieder Hieronymus Bosch

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Der Roman von Peter Dempf wäre besser, wenn das Geheimnis, um das es geht, eines bliebe.

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Der Roman von Peter Dempf wäre besser, wenn das Geheimnis, um das es geht, eines bliebe.

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Eine Mischung aus Krimi und Historienroman mit kunstgeschichtlicher Note hat der deutsche Autor Peter Dempf gewählt, um seiner Vorliebe für Hieronymus Bosch frönen zu können, denn seit 1977 ist er dem Triptychon "Der Garten der Lüste" verfallen, wie wir der Kurzbiographie entnehmen.

Hieronymus Bosch gibt uns bis heute viele Rätsel auf, und in den letzten Jahrhunderten scheint in der Welt alles daran gesetzt worden zu sein, seine phantastischen und zuweilen furchterregenden Visionen Realität werden zu lassen. Das Tryptichon, das sich heute im Prado in Madrid befindet, steht im Mittelpunkt des Romans. Bücher, in denen Gemälde eine besondere Rolle spielen, sind keine Seltenheit. Daß dem jeweiligen Druckwerk auch gleich eine Reproduktion beigelegt werden kann und damit die Beschäftigung mit Kunst eine andere, intensivere Dimension bekommt, hat mit etwas leichterer Kost - Stilleben nämlich - die Krimiautorin Ingrid Noll bei einem ihrer letzten Romane ("Röslein rot") vorgeführt.

Auf ähnlichen Spuren wandelt auch Peter Dempf. Allerdings deckt er eine Verschwörung auf, die bis in die Gegenwart reicht, aber im Jahr 1510 begann. Eine Verschwörung, mit der praktisch jeder auch heute konfrontiert ist, denn die potentiellen Vertreter dieser Sekte machen zumindest die Hälfte der Menschheit aus: die Frauen. Und weil die Verschwörung eben nie ganz geglückt ist, sieht das Abendland so aus wie, es eben aussieht. Die Hoffnung brauchen wir jedoch nicht aufzugeben, denn einem unterirdischen Strome gleich ist das Wissen davon bis heute weitergegeben worden. Vielleicht sollten wir Männer uns tatsächlich fürchten.

Ein bißchen erinnert das an das "Foucaultsche Pendel" von Umberto Eco, das mag nicht weiter schlimm sein. Daß im Englischen jedoch vor vier Jahren ein ähnlicher Roman erschienen ist (Lynda Harris: "The Secret Heresy of Hieronymus Bosch"), der ebenfalls die Beziehungen zwischen Hieronymus Bosch und einer geheimen Sekte zum Thema hat, sei hier nur erwähnt. Würde es das Internet für die Recherche nicht geben, wäre der Rezensent wohl nie auf diese Parallele gestoßen. Wir nehmen es dem Autor nicht weiter übel, der Zeitgeist hat eben zwei Autoren an verschiedenen Stellen der Erde nahezu gleichzeitig geküßt. Ein Kuß ist möglicherweise der Eintritt in den Garten der Lüste, meint man vielleicht, doch warum verätzt ein Pater mit Säure das Bosch Gemälde in Madrid? Der Restaurator Michael Keie wird ins Museum beordert und stößt auf geheimnisvolle Zeichen unter dem Gemälde. Wer sich auf Kunst einläßt, dessen Leben kann gefährdet sein, vor allem dann, wenn die betroffenen Personen plötzlich auf der Zeitebene ins Rutschen kommen und sich irgendwie im Jahr 1510 in der brabantischen Stadt s'-Hertogenbosch wiederfinden, mitten im Kampf zwischen dem Rat der Stadt, den Dominikanern und der Inquisition.

Das Tryptichon, an dem Hieronymus Bosch gerade arbeitet, ist offenbar ein verschlüsseltes Werk, das alle Botschaften der geheimen Sekte der Adamiten enthält. Die wahre Macht des Weiblichen ist der Kern der Sekte und dabei geht es um die freie Liebe, aber vor allem um Gleichberechtigung. Zugegeben, so kurz auf den Punkt gebracht, klingt das etwas abschreckend. Mehr sei auch nicht verraten. Wer aller zum Beispiel tatsächlich Mitglied dieser Sekte ist. Während die Lösung dieses Rätsels wie so oft einen mehr als schalen Nachgeschmack hat, ist der verästelte Weg und die Fahrt auf der Zeitebene rasant und spannend und bringt vor allem unter anderem auch eine handgreifliche Einführung die Symbolik von Bosch. Könnte man vor dem Ende aufhören, dann wäre alles bestens, denn oft sollen Geheimnisse besser solche bleiben. Wenn alle Hüllen fallen, verflüchtigt sich der Geist wie bei einem Malt-Whisky, der über Nacht im Glas vergessen wurde, und das ist schade.

Das Geheimnis von Hieronymus Bosch. Roman von Peter Dempf Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1999 404 Seiten, geb., öS 291,-/e 21,15

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