Schräg, schrill, schrecklich

Werbung
Werbung
Werbung

Wiener Festwochen: Franz Molnárs "Harmonie" geriet zur bloßen Klamaukiade.

Stellen Sie sich ein klassisches Musikstück vor, dass Sie eines Tages, völlig ungewöhnlich instrumentiert, durch ständige Wechsel der meist total überhöhten Tempi nahezu unkenntlich gemacht, in einem grellen Ambiente geboten bekommen. Wenn Sie dergleichen nicht schreckt, sind Sie bei Georg Staudachers jüngster Inszenierung gut aufgehoben. Wenn nicht, werden Sie wahrscheinlich wie viele andere die Festwochen-Produktion von Franz Molnárs "Harmonie" im Wiener Rabenhof eher meiden oder vorzeitig verlassen.

Ist ein Werk schon sehr bekannt, kann eine schräge, schrille Aufbereitung mitunter interessant sein. Im gegenständlichen Fall handelt es sich aber um ein selten gespieltes Stück, ein "Familienidyll mit Chorgesang in drei Akten", übersetzt von Alfred Polgar, das seinen Ruf aus einem Theaterskandal bei der Uraufführung 1932 bezieht: Nationalsozialisten und Gesangvereins-Mitglieder empfanden das Stück als Verhöhnung und protestierten lautstark dagegen. Gegen die Neuinszenierung müssten am ehesten Anhänger klugen Regietheaters protestieren: Staudacher führt durch das von ihm geleitete hyperaktive Ensemble das totale Regietheater vor und gleichzeitig ad absurdum.

Der simple Inhalt gibt natürlich heute keinen Eklat mehr her: Hofrat Béla Kornély, gefeierter Leiter des Gesangsvereins "Ungarländische Harmonie", muss am Tag seines 25jährigen Berufsjubiläums erleben, wie sein Verhältnis mit der Maniküre Marianne publik wird. Molnárs augenzwinkernde Kritik an kleinbürgerlicher Doppelmoral stellt vielleicht den alten Spruch "Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder", aber sicher nicht das Gesellschaftssystem in Frage.

Vor und hinter transparenten Schiebewänden sind die Hauptdarsteller fast ständig in Aktion, wenn nicht verbal, so zumindest pantomimisch. Der Hofrat wird zunächst im Sitzbad, auf einem ramponierten weißen Konzertflügel thronend, vorgeführt, später im himmelblauen Bademantel. In prekären Situationen fängt er zu dirigieren an, und das Ensemble lässt Chorgesang erschallen - bisweilen recht zotige neue Texte zu altbekannten Melodien. Ein das Geschehen pantomimisch begleitender Akteur, der nur einen Slip und eine Smiley-Kürbiskopfmaske trägt, schlüpft zeitweise in die Rolle des Geistlichen. Was die Sprechweise betrifft, wird vom schwer vernehmlichen Säuseln bis zum fast ebenso unverständlichen Brüllen an diesem Abend alles geboten. Viel Getue um nichts - ein neues Bewusstsein für irgendwelche Probleme, seien es heutige, seien es solche aus der Entstehungszeit des Stückes, schafft diese Inszenierung nicht. Woran soll man auch menschlich Anteil nehmen, wenn ausschließlich Karikaturen auf der Bühne stehen?

So temporeich sich die Aufführung, die in einer Fülle von Anleihen bei "Starmania" oder Regieberserkern wie Castorf und Schlingensief untergeht, auch gibt - sie erzeugt trotzdem vorwiegend Langeweile. Die Schauspieler wirken, als ob sie vom Regisseur an Fäden gehalten würden: Nicht nur die Herren, insbesondere Gregor Seberg als seitenspringender Hofrat, erweisen sich als hervorragende Marionetten, auch die Damen, vor allem Magdalena Kropiunig (Marianne) und Philippa Galli (Vera, Kornélys Tochter), halten gut mit. Nur Kathrin Beck als Ehefrau Ilona lässt bisweilen einen verwundeten Menschen spüren - fast ein Fremdkörper in dieser Klamaukiade.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung