Schreiben, nicht nur für die Schule

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Sich von Zuschreibungen frei schreiben, ein Ich erschreiben, das sich von jenem des alltäglich gelebten unterscheidet, ist ein Moment, das vielen literarischen Texten innewohnt, ob die am sprichwörtlichen Küchentisch hingekritzelten Romane von Frauen, die kein "Zimmer für sich allein" hatten, oder die Exilliteratur von Autoren, die ihrer politischen Überzeugung willen in der Fremde leben mussten. Auch Magdi, der zwölfjährige Ich-Erzähler dieses Kinderromans, versucht sich frei zu schreiben -und legt dabei Wert auf die Textsorte: "Ich weiß, dass Mädchen Tagebücher schreiben und Blumen oder Tierbilder reinkleben. Ich bin kein Mädchen.,Nein, das sind Berichte!' Das Wort finde ich klasse, weil auch die Polizei Berichte schreibt."

Magdi schreibt auf Anraten seines Nachhilfelehrers, um bessere Deutschnoten zu bekommen -doch anders als dieser ist es nicht "Tiefbegabung", die es ihm in der Schule schwer macht, sondern vielmehr die Annahme, dass ein Kind einer Migrantenfamilie (der Vater stammt aus einem nicht näher benannten arabischen Land, die Mutter aus Deutschland) auf dem Gymnasium eigentlich nichts verloren habe.

Wie unrecht seine Lehrer damit haben, beweist Magdi mit seinem genauen Gespür für Sprache und damit auch für die Widersprüchlichkeiten der Erwachsenen. Denn wenn der Vater die vier Kinder liebt, warum schlägt er dann regelmäßig und gezielt zu? Warum verlangt die Mutter, dass Magdi in der Schule erzählt, er habe wegen einer Erkältung gefehlt, wenn in Wirklichkeit der Handabdruck des Vaters in seinem Gesicht zu sehen war? Christian Duda, 1962 als Christian Achmed Gad Elkarim in Graz geboren und mittlerweile in Deutschland als Autor und Regisseur tätig, siedelt seine Geschichte im Jahr 1975 an und durchsetzt sie mit zahlreichen Verweisen auf die Populärkultur der damaligen Zeit, von Bonanza bis zur Black &Decker-Werbung.

Das Moment des Schreibens wird durch jeweils an die Seitenränder gesetzte Illustrationen von Julia Friese, mit der Duda bereits einige (Bilder-)bücher veröffentlicht hat, unaufdringlich verstärkt: Kritzeleien, Tintenflecke, Fingerabdrücke markieren auch auf der visuellen Ebene, dass hier ein Schreibprozess stattfindet, der nicht in den Kontext der Schule gehört, aber deren Anforderungen mit Witz und Selbstbewusstsein reflektiert: "Ich mach mal einen Absatz, das soll ich nämlich üben, sagt auch mein Nachhilfelehrer. [] Da, schon wieder einer. Da wird sich mein Nachhilfelehrer freuen, wenn ich ihm das Heft zeige Tu ich aber nicht!"

Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

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