Ständig rechnet man im Dokumentarfilm "Thank You For Calling" damit, dass Klaus Scheidsteger auch von Drohungen gegen die eigene Person, seine Familie und seine Glaubwürdigkeit spricht - oder ergeht es dem deutschen Filmemacher, der Material gegen die Mobilfunkbranche zusammenträgt, etwas besser als seinen Kronzeugen? Schon 2006 berichtete er im Fernsehfeature "Handys unter Anklage" über Dr. George Carlo, der so lange offiziell für den Industrieverband CTIA über die gesundheitlichen Gefahren der drahtlosen Telefonie forschen durfte, bis er sie fand.
Carlo spielt eine der wichtigsten Rollen auf dem Weg zu jener Anhörung, die nun entscheiden soll, ob eine Sammelklage von Krebsopfern zugelassen wird. Eine Gruppe internationaler Experten ist geladen, mit ihren Studien Belege dafür zu liefern, dass Handystrahlung das Risiko für Gehirntumore steigert. Alle reisen sie mit Vorgeschichte nach Washington, D.C.: Ergebnisse wurden infrage gestellt, Posten entzogen oder Skandale lanciert. Dem Regisseur wird ein Dokument zugespielt, aus dem sich schließen lässt, dass Mahner mit System mundtot gemacht werden: das "War Game Memo", eine Sammlung von Strategien für den Umgang mit kritischer Wissenschaft.
Unfassbar reißerische Gangart
Als Aufdecker, der bei seinen umfangreichen Recherchen bis in den konspirativen Bereich gezwungen wird, inszeniert sich Scheidsteger zum Mitprotagonisten und Wahrheitshelfer, den ein abgedroschener B-Krimisoundtrack begleitet. In fast jeder Hinsicht fährt "Thank You For Calling" eine unfassbar reißerische Gangart: Interviews frieren mehrfach ein, um Kernaussagen donnernd Schwarz auf Weiß einzublenden, nachdrückliche Kommentare wie "Die Antwort ließ tief blicken" sind Standard, und rührig wälzt er die persönlichen Seiten "seines" Teams aus. Es ist ein Schreiduell, ohne dass ein Gegner anwesend wäre, ein Film, der darüberseineBeweisführungundseineAussage in Mitleidenschaft zieht.
Thank You For Calling
D/A 2015. Regie: Klaus Scheidsteger. Filmladen, 85 Min.
