Auch dazu sind Festspiele da: Raritäten auszugraben und sie zu neuem Leben zu erwecken. Ob Salzburgs Festspielintendant Alexander Pereira bei der Wahl der Schubert-Oper "Fierrabras" besondere Erinnerungen an die exemplarische Wiener Produktion von Claudio Abbado und Ruth Berghaus verband, er sie sich deswegen wünschte? Jedenfalls entschied er sich für diesen Schubert-Dreiakter. Seine Idee, dafür Nikolaus Harnoncourt als Dirigenten zu gewinnen, war allerdings nicht realisierbar. Er sagte altersbedingt ab. Mit Ingo Metzmacher, der dieses Werk bereits in Brüssel dirigiert hatte, war rasch Ersatz gefunden. Und zusammen mit Peter Stein eine, wie auf den ersten Blick schien, interessante Konstellation. Zum einen ein Dirigent mit einer besonderen Affinität für die Moderne im klassischen Repertoire. Zum anderen mit dem einstigen Salzburger Schauspielchef jemand, der seine Sturm-und Drang-Jahre längst hinter sich gelassen hat und zum großen Konservativen geworden ist - was er nun auch im Haus für Mozart mit einer betont statischen Regie und einer so knappen Personenzeichnung, die den Unterschied der einzelnen Charaktere kaum mehr als schemenhaft durchscheinen lässt, erneut unter Beweis gestellt hat. Begleitet von einer von Kupferstichen inspirierten, sich einer längst überkommenen Ästhetik befleißigenden, meist in Schwarz-Weiß ausgeführten Bühnenarchitektur (Ferdinand Wögerbauer).
Die unübersichtliche Handlung spielt zur Zeit Karls des Großen und im Rittermilieu. Mindestens ebenso aber ist das Sujet eine Parabel über Liebe und Intrige vor dem Hintergrund kriegerischer Auseinandersetzungen zweier sehr verschiedener Völker. Damit auch ein Lehrstück über gegenseitiges Verständnis und Toleranz. All das wird durch diese übertrieben historische Szenerie überdeckt. Dabei wären mit einer zeitgemäßen Lesart die dramatischen Züge von Schuberts Musik nicht nur unterstützt, sondern noch bewusster geworden.
Immerhin ließ Ingo Metzmacher die Wiener Philharmoniker schlank und transparent aufspielen, sorgte für Spannung, zeigte aber nur wenig Verständnis für Schuberts Poesie. Dorothea Röschmann (Florinda), Michael Schade in der Titelpartie, Julia Kleiter (Emma) und Markus Werba (Roland) dominierten das stimmig zusammengesetzte, namhafte Solistenensemble. Mehr an differenziertem Ausdruck und Artikulationsklarheit hätte man sich von der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor gewünscht. Insgesamt also zu wenig, um nachhaltig für den Operndramatiker Schubert zu werben. Genau das aber wollte man mit dieser Produktion.
Fierrabras - Haus für Mozart 22., 25., 27. August
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!