Schumpeters Kinderfest

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Fasching war’s - und höchste Zeit sich mit "guten“ Informationen einzudecken, statt ewig schwarz zu malen. Am Dienstag schlugen die Euro-Finanzminister den "Weg der Freude“ ein: 130 Milliarden Euro Hilfe werden in den kommenden Monaten nach Griechenland fließen. Das 160-Prozent-Staatsdefizit soll auf 120 Prozent schrumpfen. Das sei ein "signifikanter Schritt“ zur Bewältigung der Schuldenmisere.

Und es gibt noch mehr. Griechenland belegt immer noch Rang 31 unter allen Volkswirtschaften der Welt. Die Inflation ist mit 2,3 Prozent niedriger als selbst in Österreich. Die Griechen sind innerhalb der OECD die zweitfleißigsten Arbeiter hinter den Südkoreanern. Die Kaufkraft der Griechen liegt immerhin bei 94 Prozent des EU-Durchschnitts. In Sachen Lebensqualität rangiert das Land gar auf Platz 22. Beneidenswert, nicht?

Nur das Notwendigste

Aschermittwoch wurde es - und der "Weg der Nüchternheit“ war zu beschreiten - grauer und sehr viel holpriger - weil mit ganz anderen Daten gepflastert: Griechenland entgehen noch immer mehr als 40 Prozent seiner Steuereinnahmen wegen Hinterziehung. Die Wirtschaft dürfte heuer wieder um mehr als sechs Prozent schrumpfen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 50 Prozent, insgesamt über eine Million Griechen sind ohne Arbeit. In den Städten gibt es seit geraumer Zeit Anzeichen von Verelendung - beginnend bei Bettelei und langen Warteschlangen vor den Gebäuden der Energieversorgungsbetriebe, wenn verarmte Rentner dieser Tage um eine Stundung der Rechnung ansuchen.

Was tut Europa? Wir geben einem seit Monaten zahlungsunfähigen Land Geld. Andernfalls, das wissen wir, kämen sofort weitaus größere Länder wie Spanien und Italien in die Ziehung der Krisen-Spekulation. Wir tun also das Notwenigste. Nicht mehr.

Das bringt uns zu einem ökonomisch entscheidenden Punkt. Es geht dabei um vorausschauendes Handeln. Joseph Schumpeter hat dazu in seiner "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ das Bild des Kindes als Konsumenten vorgestellt. Es kauft ohne Ende, aber nur für den Augenblick: Zuckerwerk, Spielsachen und anderen Tand - an Brot oder Milch für den kommenden Tag denkt es nicht. Zukünftige Bedürfnisse sind ihm unbekannt. Es fehlt ihm, wie Schumpeter es formuliert "der wirtschaftliche Gesichtskreis“ weshalb "wirtschaftliche Aufgaben unlösbar werden“.

Die unlösbare Aufgabe

Das ist zu unserem Leidwesen genau das, was die Euro-Länder derzeit mit Athen tun. Es beginnt schon bei der Schuldentilgung. Beinahe jeder Hilfs-Euro für Griechenland geht an die Eigner griechischer Staatsanleihen. Allein: Es ist kein Unternehmen oder Staat sanierbar, wenn ausschließlich Gläubigerinteressen befriedigt werden, das Unternehmen aber in kranken Strukturen verharrt. Jene 53 Prozent, welche die Privatgläubiger zum Verzicht angeboten haben werden zudem nicht ausreichen um den Staat wieder zu Atem kommen zu lassen.

Es gibt auch keinen funktionierenden Plan, wichtige Teile des Staatsapparates neu aufzubauen, um die Steuereinnahmen wieder dem Gemeinwesen und dem Volk zuzuführen statt schwarzen Kassen und Betrügern. Nach wie vor vermehren sich auch Milliarden Euro griechischer Steuerhinterzieher auf Schweizer Banken, ohne dass jemand auf die Idee käme, dieses Geld, das dem Staat Griechenland gehört zurückzuführen.

Als Draufgabe gibt es für die griechische Realwirtschaft statt notwendiger hundert Milliarden bloß zwei von der Europäischen Investitionsbank. Angesichts der Rezession ist das wohl als zynische Grabbeigabe gedacht.

Das Problem unserer finanziellen Probleme ist, dass sie mit falsch verwendetem Geld verdrängt statt gelöst werden. Mit Schumpeter gesagt: Europas ökonomischer Gesichtskreis bleibt klein - eine Kinderwirtschaft mit Kinderpolitik. Fasching irgendwie.

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