Schwab schockt nicht mehr

Werbung
Werbung
Werbung

Vor genau 25 Jahren wurden "Die Präsidentinnen", das erste und erfolgreichste Stück des früh verstorbenen Grazer Punk-Dramatikers und Sprachberserkers Werner Schwab uraufgeführt, nun hatte es am Wiener Akademietheater Premiere.

Mit diesem ersten von den zu einer Tetralogie zusammengefassten sogenannten "Fäkaliendramen" hat der Wortmusiker Schwab die Tradition des "Volksstücks" weitergeführt. Wie seine Vorgänger, von Horváth über Fleißer und Fassbinder bis hin zu Bauer zeigt er, wie die Katastrophen eines Menschenlebens am Menschen selbst sicht- und vor allem hörbar werden. Bei Schwab - da ist er ganz nah bei Horváth - nisten die Abgründe des Kleinbürgertums vor allem in der Sprache. "Man kann eben nichts als die Sprache" und deshalb "zerrt sie die Personen hinter sich her: wie Blechbüchsen, die man an einem Hundeschwanz angebunden hat", wie es in den Vorbemerkungen zu einem anderen "Fäkaliendrama" heißt.

Derb-komisches "Schwabisch"

Freilich war dem Stück mit seinem derb-komischen "Schwabisch" bei seiner Uraufführung damals im Künstlerhaus in Wien wenig Erfolg beschieden. Heute muten die Präsidentinnen schon fast wie ein Klassiker an. Der Schock, den die schrille Gossen-Poesie mit ihrer provozierenden Lust an der Kakolalie noch in den frühen 90-ern auszulösen vermochte, ist dieser Tage kaum noch denkbar und nur mehr eine blasse, fast nostalgische Erinnerung.

Heute ist eine Inszenierung vor allem eines: ein Fest für Schauspielerinnen. So auch am Akademietheater, wo Hausregisseur David Bösch den finsteren Schwank in Szene setzte. In einem von Patrick Bannwart mit viel Liebe zum Detail gestalteten Bühnenkasten, der eine heruntergekommene, mit religiösem Kitsch, gerahmten Kalender- und Familienbildchen und sonstigem Plunder vollgeräumte Wohnküche zeigt, geben zwei gealterte Proletinnen den Ton an. Regina Fritsch als bigotte, überaus sparsame Mindestpensionistin Erna und Barbara Petritsch als verbitterte, sich nach Liebe verzehrende Grete beschweren sich ätzend über die eigenen Kinder, weil sie ihnen keinen Enkel schenken oder sich von ihnen abgewendet haben.

Zwischen ihnen irrlichtert die jüngste der drei Präsidentinnen umher. Als Mariedl (Stefanie Dvorak), die "heilige" Klofrau, die mit bloßen Händen noch in den schmutzigsten Abort greift, allein "weil wenn der Herrgott die ganze Welt angeschafft hat, dann hat er auch die menschliche Jauche erschaffen" den keifenden Furien die Zukunft verkündet, kommt es kurzerhand zum Massaker. Das ist fabelhaft gespielt, man erschrickt nur darüber, wie belanglos das uns heute geworden ist.

Die Präsidentinnen

Burgtheater

15., 20., 22., 31. Oktober

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung