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Eine Autorin und drei Autoren haben für das Burgtheater eine "Hommage an Werner Schwab" zum 10. Todestag des Dramatikers geschrieben. die furche sprach mit zwei von ihnen über das österreichischeTheater heute und Werner Schwabals Totalgespenst.

Am 1. Jänner 2004 jährt sich der Todestag des österreichischen Dramatikers Werner Schwab (1958-1994) zum 10. Mal. Schwab zählte zu den provokantesten Erscheinungen im deutschsprachigen Theaterbereich, als Bühnenrevolutionär prägte er die Szene des letzten Dezenniums maßgeblich.

Die Karriere des Grazers setzte in Wien ein, wo er an der Akademie der bildenden Künste bei Bruno Gironcoli studierte und 1989 erstmals für das Theater arbeitete. 1991 produzierte das Wiener Schauspielhaus das Stück "Übergewicht, unwichtig: Unform". Mit der Inszenierung seiner "Volksvernichtung" an den Münchner Kammerspielen 1991 startete Schwabs internationale Karriere. Es folgten unter anderem "Hochschwab", "Der reizende Reigen nach dem Reigen des reizenden Herrn Arthur Schnitzler", "Endlich tot endlich keine Luft mehr" und die preisgekrönte Produktion "Die Präsidentinnen" am Akademietheater. In unermesslicher Geschwindigkeit erlangte Tabubrüchen und seiner mittlerweile als "schwabisch" bekannten Kunstsprache größte Aufmerksamkeit.

Diesem Phänomen, dem von ihm selbst betitelten "Projekt Schwab", geht das Burgtheater anlässlich seines Todestages nach. Aber es wird es kein "Abfeiern" sein, wie Dramaturg Andreas Beck beteuert, sondern als Markierung herangezogen, um die zeitgenössische österreichische Dramatikerlandschaft zu Wort kommen zu lassen.

Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche "Staffel" Schwab an die heute Jungen weitergibt, was sich mit Schwab geändert hat und neu entstanden ist. Ist Schwab eine Inspirationsquelle für zeitgenössische NachwuchsdramatikerInnen? Und vor allem: wohin hat sich die Szene entwickelt?

Regisseur Thomas Rottenkamp inszeniert vier Einakter, die als Auftragswerke vom Burgtheater an vier junge österreichische AutorInnen vergeben wurden. Mit Kathrin Röggla ("fake reports"), Bernhard Studlar ("transdanubia-dreaming"), Franzobel ("Mozarts Vision") und Robert Woelfl ("Jekyll und Hyde") präsentieren sich vier exponierte Stimmen der österreichischen Literaturszene.

Die Furche sprach mit Bernhard Studlar und Kathrin Röggla über Schwab als Gespenst der österreichischen Gegenwartsdramatik, Abgrenzungsneurosen zwischen Deutschland und Österreich, Punk-Gesten und Baumärkte.

Die Furche: Frau Röggla, in Ihrem Stück "totficken. totalgespenst. topfit" spielen zwei Paare, worunter eine Ex-Österreicherin, genannt "die deutsche", auftritt. Inwiefern gibt es da autobiografische Zusammenhänge, wo Sie doch selbst Auslandsösterreicherin sind?

Kathrin Röggla: Tatsächlich ist es für mich persönlich interessant, diese Frage der unterschiedlichen Zuschreibungen, der Reibungen der Mentalitäten - weil ich das selber erlebe, weil ich immer als fremd wahrgenommen werde. In Österreich hält man mich für eine Deutsche und in Berlin werde ich als Österreicherin identifiziert. Man sieht quasi immer das andere, das Fremde.

Was Werner Schwab betrifft, habe ich bei den Produktionen, die ich in Deutschland gesehen habe, immer den Eindruck, dass es da auch eine Art Missverständnis gibt. Seine Sprache wird dort als fremder wahrgenommen, als typisch österreichisch. Der Blick auf das so genannte "Schwabische" gewinnt dann auch etwas Exotistisches.

Die Furche: Wie Werner Schwab geht es Ihnen in dem Stück ja auch um die immer währende Selbstthematisierung des vermeintlich spezifisch Österreichischen? Sie bleiben aber dennoch in großer Distanz zu Ihren Figuren.

Röggla: Ja, ich möchte auf gar keinen Fall Milieu und Figuren Schwabs nachahmen, hier besteht die große Gefahr, dass es sich zur Persiflage entwickelt. Und ich finde auch den Voyeurismus bedenklich, wenn man die sogenannten kleinen Leute auf der Bühne ausstellt und das Publikum lacht dann über sie. Ich mache lieber Theater, wo ich das Gefühl habe, das geht einen selber was an.

Die Furche: Von der Figurenkonstellation her schaffen Sie zwei Paare, die einander gegenüberstehen: DieDeutschen und das Co-AlkoholikerInnen-Paar. Wie ist Ihr Blick auf Deutschland und Österreich in Bezug zu den beiden Paaren zu sehen?

Röggla: Meine Co-AlkoholikerInnen-Struktur ist auf diesen autistischen Innendiskurs gemünzt, den ich in Österreich viel stärker wahrnehme. Mir erscheinen die Abhängigkeiten in diesem Land intensiver bzw. scheint sich eine bestimmte Form der Abhängigkeit in Alltagsrhetoriken stärker durchzusetzen. Ein gestörtes Verhältnis von privat und öffentlich. Es geht dabei eben auch um die Abgrenzung in der Sprache und im Sprechen selbst, die - wie bei Schwab auch - die Handlung erst entstehen lässt.

Dagegen sprechen meine Deutschen stets von sich weg, führen eine Art der Ressentimentrede über das "österreichisch Andere", während die Österreicher zunächst über sich selber als Fremde reden, sich in einem abgeschlossenen Interaktionsmodell befinden.

Die Furche: Wie die Schwabschen Figuren über sich reden, als wären sie eine dritte Person?

Röggla: Ja, und genau deshalb habe ich zwei Paare eingeführt. Bei Schwab entwickelt sich durch diese Selbstthematisierung als Figur ein phantasmatischer, narrativer Raum. So entsteht eine Metaebene im Stück. Davon lebt mein Text auch, von der Zuspitzung und der Überzeichnung der Mentalitäten.

Die Furche: Ihr Stück spielt in den Einzugsgebieten österreichischer Landeshauptstädte, umgebungslinz, umgebungsgraz, umgebungswien mit dem Ausgangspunkt eines Baumarkts. Wieso die Wahl dieser Schauplätze?

Röggla: Für mich hat sich Österreich in den letzten Jahren mehr und mehr zu einer Gesellschaft der Baumärkte entwickelt, um das überspitzt zu form ulieren. Ich möchte damit den neuen Urbanismus ansprechen, diese suburbanen Strukturen, die mittlerweile in allen Einzugsgebieten gleich aussehen und die ja auch Ulrich Seidl in seinem Film "Hundstage" thematisiert.

Die Furche: Wie bei Bernhard Studlar schwebt auch bei Ihnen eine Werner-Schwab-Figur über dem Text. Warum lassen Sie ihn als Totalgespenst auftreten?

Röggla: Die Figur wird ja überfahren im Stück. Da wird also der Autor selbst totgefahren. Vielleicht eine Art Punk-Geste meinerseits, wie Schwab ja selbst ein Punk war.

Die Furche: Herr Studlar, Sie haben Ihr Stück "Mariedl-Kantine" genannt und sieben Mariedls auf die Bühne gestellt. Was bedeutet für Sie Schwabs bekannteste Figur aus dem Stück "Die Präsidentinnen"?

Bernhard Studlar: Schwabs Mariedl ist für mich die Doyenne der Theaterliteratur. Sie ist die prägendste Figur, die Schwab je geschrieben hat, die Essenz all seiner Personen und seiner Sprache. Diese Mariedl hat sich als literarische Figur und gleichsam als eigenständiges Kunstprodukt verselbständigt. Bei der Mariedl kommt aber auch das Spielerische, das Schauspielerische stark zum Ausdruck. Und davon bin ich ausgegangen, als ich die sieben Mariedls entwickelte. Meine Mariedls sind wie russische Puppen gestaltet, die so genannten Matrjoschkas, die Generationen miteinander in Verbindung bringen.

Die Furche: Nicht nur Generationen, auch der Autor Werner Schwab selbst tritt als Mr. Ideal auf.

Studlar: Ja, Schwab tritt quasi auch als Mariedl auf. Denn mit Mr. Ideal habe ich eine anagrammatische Form auf Mariedl konstruiert. Ich habe mich mit Schwab literarisch stark auseinandergesetzt und empfinde ihn selbst als Figur, als Kunstfigur. Kommt da aus heiterem Himmel und löst unglaubliche Reaktionen aus. Und hat in Windeseile großen Erfolg. Das kennt man ja so nicht. Schwab ist eine ganz wichtige Stimme der österreichischen Literatur.

Die Furche: Ihre Mariedls sind ja auch ganz der schwabischen Sprache verpflichtet.

Studlar: Ja, aus den Figuren bricht es oft schwabisch heraus, das war auch eine schwierige Frage während der Arbeit. Schon bei "transdanubia-dreaming" ist die Bezugnahme zu Horváth stark, aber es geht darum, trotzdem die eigene Form zu finden und den heutigen und persönlichen Zugang zu ermöglichen. Aber tatsächlich habe ich mich intensiv mit Schwabs Sprache auseinandergesetzt, ohne sie verwursten zu wollen.

Die Furche: Glauben Sie auch an einen Erfolg mit der "Mariedl-Kantine" in Deutschland?

Studlar: Das hat mich mein Lektor auch gefragt. Aber warum nicht? So Absurditäten passieren ja auch in Deutschland. Und natürlich würde ich mir wünschen, dass das Stück auch auf anderen Bühnen gespielt wird, weil man als Autor von verschiedenen Inszenierungen und Interpretationen lernt.

Die Furche: In der "Mariedl-Kantine" ist gerade die österreichische Provinz stark Thema, ausgehend von Graz natürlich. Sehen Sie Österreich aus der Perspektive eines Autors, der viele Jahre in Berlin gelebt und gearbeitet hat?

Studlar: Graz ist wichtig, Schwab bezeichnete sich selbst ja auch als Grazkünstler. Bei mir steht Graz für die gesamte österreichische Provinz. Wobei, Berlin ist ja auch provinziell. Der kleine Kiez beispielsweise, das kann auch ganz fein sein. Unsympathisch ist Berlin ja nur dann, wenn es sich als Hauptstadt fühlt.

Die Furche: Was werden Sie nach der "Hommage" machen?

Studlar: Im Moment habe ich kein anderes Bedürfnis, als Theater zu machen. Die Bühne als Ort der Auseinandersetzung interessiert mich zurzeit am allermeisten. Das Theater bietet mir einerseits den unmittelbaren Kontakt mit dem Publikum, andererseits finde ich im Ensemble, im Team auch eine Art Schutzraum. Der Text wird neu interpretiert und in diesem Rahmen präsentiert. Das ist eine sehr reizvolle Kooperation.

Die Furche: Sie arbeiten ja auch als Dramatiker gerne mit Andreas Sauter zusammen.

Studlar: Ja, ich habe gerade mit Andreas Sauter ein Stück zu Ende geschrieben: "Die Aufgeregtheit der Schwalbe", ein Auftragswerk des Staatstheaters Stuttgart. Zurzeit befinde ich mich in einem Zustand des Sortierens, des Planens und Entwerfens. Und das genieße ich.

Die Gespräche führte Julia Danielczyk.

Hommage an Werner Schwab

Uraufführung am 20. Dezember um 20.00 Uhr im Kasino/Burgtheater

in der Regie von Thomas Rottenkamp.

Kathrin Röggla: "totficken. totalgespenst. topfit", Bernhard Studlar: "Mariedl-Kantine", Franzobel: "Schwabradis", Robert Woelffls:"Mann und Frau in Hundestellung".

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