Schwank im Retro-Stil

Werbung
Werbung
Werbung

Molnárs Klassiker "Liliom“ am Burgtheater: Selbst ein brillanter Protagonist wie Nicholas Ofczarek macht noch keinen stimmigen Theaterabend.

Brutal, stur, zärtlich, verzweifelt, ungestüm - wohl keine andere Figur in Franz Molnárs Dramenreigen ist so zwiespältig und facettenreich wie die des Raufbolds Liliom. Und wohl kein anderer Schauspieler versteht es derzeit am deutschsprachigen Theater besser, all diese Facetten bis in die feinsten Nuancen so gekonnt zu verkörpern wie Nicholas Ofczarek. Doch ein funkelnder Theaterstern macht noch keinen Erfolgsabend. Ohne nennenswerte Höhen und Tiefen präsentiert sich die Inszenierung von Barbara Frey im Burgtheater. Aus der Vorstadtlegende in sieben Bildern (in der Übersetzung von Alfred Polgar von 1913) wurde ein bunter Schwank im Retro-Stil.

Auf der Bühne türmen sich Versatzstücke moderner und vergangener Vergnügungskultur: Die grell beleuchtete Hochschaubahn führt ins Nichts, der Toilettenwagen wird auch als Außenstelle des Jenseits genutzt, und hinter dem Schnellfotografenatelier verbirgt sich eine gemütliche Sitzgarnitur aus dem Möbelgroßhandel. Die Kostüme der zwei Wiener Madln Julie und Marie (Katharina Lorenz und Mavie Hörbiger) erinnern an die adretten 1950er Jahre, und die fesche Panier der Ringelspielbesitzerin Frau Muskat (Barbara Petritsch) stammt wohl aus dem Trash-Fundus der letzten beiden Modejahrzehnte.

So lose zusammengewürfelt wie Kostüme und Requisiten sind auch die Figuren, die nicht wirklich viel miteinander anzufangen wissen. Lorenz als Julie legt ihre angespannte Haltung auch in den zärtlichen Momenten und in größter Verzweiflung nicht ab. Hörbiger spielt das vorlaute Mädchen vom Lande, dass sich den urbanen Verhältnissen geschickt anzupassen weiß, mit etwas mehr Verve. Doch genauso wie bei Ofczarek und Peter Mati´c (als Abteilungsleiter der Jenseits-Filiale für Selbstmörder) geht auch ihr Spiel in der reservierten Grundstimmung dieser Inszenierung unter.

Etwas runder läuft die Sache erst nach der Pause, als sich Liliom nach fehlgeschlagenem Raubmord das Leben nimmt und von Gottes Helfern noch einmal zurück auf die Erde geschickt wird. In diesen letzten Szenen des Stücks wechselt der Rhythmus zwischen berührender Stille, komischem Klamauk und brutaler Verzweiflung und bringt so etwas Schwung in die Aufführung.

Es ist ein zauberhaftes und naives Märchen, dass von Frey und ihrem Ensemble erzählt wird, in der brutale Schläge nicht weh tun können und Not und Verzweiflung vom Akazienblütenduft des Wiener Praters überdeckt werden. Das soziale Elend hinter der märchenhaften Geschichte bleibt dabei verborgen. Dabei ist es gerade dieser spannungsgeladene Gegensatz, von Märchen und Sozialdrama, durch den Molnár die Ausweglosigkeit seiner Figuren herausstreicht und verdichtet. In Freys Inszenierung geht diese Ambivalenz jedoch verloren.

Keine Hochschaubahn der Gefühle

Die Welt der Praterstrizzis und der Vorstadtganoven, wie sie hier gezeigt wird, wirkt wie ein romantisch nostalgisches Postkartensujet aus längst vergangenen Zeiten, zu dem einige moderne Accessoires hinzugefügt wurden. Das beständige Scheitern auf der verzweifelten Suche nach ein wenig Glück blitzt nur für kurze Momente auf, etwa wenn Liliom beim Kartenspielen die vermeintliche Beute noch vor dem geplanten Raub bereits verspielt.

"Dizzy Mouse“ prangt in Leuchtschrift auf der Bühne, doch die Hochschaubahn der Gefühle will an diesem Premierenabend nicht so recht in die Gänge kommen. Um wirklich schwindelig vor Glück und Begeisterung zu machen, ist dieser "Liliom "trotz überzeugenden Einsatzes des Titelhelden insgesamt zu verhalten.

Liliom

Burgtheater

nächste Termine: 13., 14., 21., 25., 27. April

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung