Brigitte Fassbaenders tiefenpsychologische Sicht auf Carl Maria von Webers "Freischütz" am Tiroler Landestheater.
Agathe sehnt den Liebsten herbei und richtet das Brautbett. Max stellt es sich in allen Einzelheiten vor und verschließt die Ohren vor ihrem Liebesdrängen. Am Vorabend des Schusses, der über seine berufliche und private Zukunft entscheidet, ist der junge Jäger panisch. Seit Wochen bedrängen ihn männliche Versagensängste, das Böse ist omnipräsent. Max wird leichte Beute für die Verlockungen der Magie und damit für die Rache Kaspars, dem er einst Agathe ausgespannt hat. Kaspar gießt mit ihm noch in derselben Nacht Freikugeln.
Webers Freischütz ist mit seinen geballten Ingredienzien der Romantik schon lange ein Vermessungsgebiet der Tiefenpsychologie, und auch Regisseurin Brigitte Fassbaender macht am Tiroler Landestheater reiche Beute. Sie wendet das Äußere nach innen, das Innerste nach außen: Nachdem er beim Preisschießen verloren hat, dreht Max durch, die weiteren Handlungsbilder entspringen seiner Phantasie. Was ihn seelisch foltert, verkörpert der durch die Szenen geisternde Samiel.
Bettina Munzers Ausstattung schafft kräftige Ironie, wo sie bürgerliche Enge und Historisches zitiert. Auch Samiel in Gestalt Eleonore Bürchers hat Geist und Witz. Wenn sich Max in die Wolfsschlucht stürzt, um dort bei schwarzer Magie Hilfe zu suchen, begegnet er an feuerroten Tischen seinen Angstgegnern.
Das klare Konzept, das theatralisch oft, aber nicht immer schlüssig und wirkungsvoll aufgeht, hat in Dietfried Bernet und dem Tiroler Symphonieorchester einen starken Partner. Bernet ersetzt vorgeblich romantisches Schwelgen durch subtiles Aushören der Partitur, bürstet sie gegen die Gewohnheit, fegt das Pathos aus den Noten und lotet seinerseits die psychische Vielfalt der Figuren aus.
Bei der Premiere hielt sich der völlig gebrochen gezeichnete Max von Christian Voigt stimmlich beachtlich, Christiane Libors Agathe blühte auf. Unverzärtelt Anja Scholz' Ännchen, ein rauer Außenseiter der Kaspar von Sébastien Soules.
