Schwere Sprache Deutsch

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Neulich hat mich ein Freund, der nach grammatikalischer und phonetischer Kompetenz kaum von einem Muttersprachler des Deutschen zu unterscheiden ist, verblüfft gefragt: „Warum werden Edelsteine geschliffen, aber Mauern geschleift? Und warum hat man ein Werk geschaffen, aber eine Aufgabe geschafft?“ Ich antwortete etwas zynisch mit einer weiteren Anomalie: „Weil der König seine Boten sandte, und der ORF die Nachrichten sendete.“

Mischformen und Alternativen gehören in der Tat zu den Stolpersteinen für jeden ‚Lerner‘ unserer Sprache. Aber auch andere Asymmetrien erschweren – oder bereichern? – unseren Alltag. So etwa die Reihenfolge der Vorsilben in einem Wort: Mancher unversicherte Klient wird durch das Gespräch mit dem Vertreter verunsichert. Und es ist nicht dasselbe, ob man nicht oft oder oft nicht an einer Vorstandssitzung teilnimmt. Auch die Verbindung von fast gleichbedeutenden Attributen mit ihren Substantiven sorgt für Überraschung: Man spricht eher von einem betagten Menschen und einem bejahrten Baum als umgekehrt: Nicht die Semantik, sondern die wesenhafte Bedeutungsbeziehung, fachsprachlich ausgedrückt: die lexikalische Solidarität, sorgt für den Unterschied. Die Differenzierungen reichen bis in die Phrasen eines Gesprächs. Mit dem Satz „Mir ist die Zigarette ausgegangen“ ersucht man mit einem indirekten Sprechakt um Feuer. Der Wechsel in den Plural „Mir sind die Zigaretten ausgegangen“ aber impliziert völlig anderes: entweder „Ich kann dir keine anbieten!“ oder „Kannst du mir mit einer aushelfen?“.

Oft handelt es sich bei solchen Differenzen um eine „unheilige Allianz“ sprachlicher Feinheiten. Und selbst dieser Ausdruck stellt uns ein Problem: Sollen wir unheilig als Negation von heilig verstehen? Oder ist das Adjektiv eher eine Ableitung vom Substantiv Unheil? Fragen über Fragen!

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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