Schwierig, irreal, radikal

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Drei literarische Debüts junger Autorinnen und Autoren im Czernin-Verlag.

Im Czernin Verlag sind eben die ersten Bände einer neuen Reihe mit junger österreichischer Literatur erschienen. Jungen Autorinnen und Autoren wird ihr literarisches Debüt in Einzelpublikationen ermöglicht - ein uneingeschränkt lobenswertes Unternehmen! Drei schmale Bände zu je hundert Seiten liegen vor und erlauben eine erste Beurteilung. Gleich vorweg: Leicht hat es der Czernin Verlag weder sich noch seinen Lesern gemacht, bei den drei Büchern handelt es sich durchwegs um avancierte Literatur, die sich einer leichten Konsumation widersetzt.

Seltsam schemenhaft

Die größten Schwierigkeiten bereitete dem Rezensenten "A Fucking Masterpiece" von Michaela Falkner. Das mag auch daran liegen, dass sich dieser Text zum stummen Lesen am wenigsten eignet, unter anderem deswegen, weil der weitgehende Verzicht auf Kommata und Hilfszeitworte die Lektüre unnötig erschwert. Zur "Handlung": Eine Frau absolviert in Schwindel erregender Geschwindigkeit einen Parforceritt durch die Stationen ihres Lebens, von der Geburt bis zum pompösen Begräbnis. Obwohl in Ich-Form erzählt, bleibt sie bis zum Schluss seltsam schemenhaft. Als von Selbstzweifeln niemals angekränkeltes Genie dilettiert sie - meist jedoch höchst erfolgreich - durch sämtliche künstlerischen Berufe, verschleißt eine Vielzahl an Männern und auch etliche Kinder bleiben auf der Strecke. "Alteingesessene Brutalität" bis zum Mord ist allgegenwärtig, bleibt jedoch folgenlos... Wirbelt hier etwa eine archaische Frauengestalt durch unsere nüchtern reglementierte Gegenwart? Oder werden hier angesichts einer trostlosen Realität (auch darauf gibt es Hinweise) exzessive Allmachts- und Gewaltphantasien einfach imaginiert? Verfremdete Kinderreime erzeugen jedenfalls eine bedrückende Atmosphäre und unterstützen die zweite Lesart. Dennoch lässt der Text zu Vieles im Unklaren und auch der Schluss ist unbefriedigend: "Es gibt keine schönen Frühaufsteherinnen. Nirgends!" Aha.

Michael Stillers Buch "Lichtspiele" ist wesentlich konkreter, wenn auch nicht weniger irreal, und der Vergleich mit Kobo Abes "Schachtelmann" drängt sich zumindest vordergründig auf. Klaus Nendig, Versicherungsangestellter, ist ein unauffälliger Durchschnittstyp, bis ihn ein banales Ereignis völlig aus der Bahn wirft. Eines Morgens verpasst er den Bus und seitdem ist er seinem Leben hinterher: "Immer am Versäumen, immer getrennt von meinem wahren Ich, das zehn Minuten vor mir das aufregende Leben lebt, hinter dem ich nur hinterherfahren kann ..." Er verlässt Frau und Tochter und lebt fortan alleine. Als er fürchten muss, "in den Fluss des Vergessens zu stürzen", lässt er sich von seiner Arbeit freistellen und zieht sich schließlich in einen gestohlenen Altpapiersammelcontainer zurück. Bei immer ausgedehnteren Sitzungen in diesem "Sammelstuhl" versucht er mithilfe weniger Hilfsmittel - Fotoalbum, Reisepass und Geburtsurkunde - die eigene "cerebrale Kartografie" zu erstellen. Ein einfallender Lichtstrahl beginnt auch bald, "Erinnerungslichtspiele" an die Containerwand zu projizieren: eine Fülle an witzig-absurden Familiengeschichten wird lebendig, die für den Selbstfindungsprozess der Hauptfigur jedoch nur von peripherer Bedeutung sind (interessanterweise kommen darin weder Eltern noch Geschwister vor). Als es schließlich zur Nerven aufreibenden Familienfeier im Container kommt, fällt der Erinnerungsreisende in Ohnmacht - und erwacht erst, als er als präsumtives Altpapier der Wiederverwertung zugeführt werden soll ... Leider verschenkt der Autor zu Schluss viel, denn eine Auflösung der für den Protagonisten existenziell bedrohlichen Situation wäre nicht nötig gewesen.

Versuchsanordnung

Das dritte literarische Debüt stammt von Bernard Wallner. 1963 geboren ist er der älteste der vorgestellten Autoren. Im Hauptberuf ist er Zoologe, lehrt und forscht am Institut für Anthropologie an der Universität Wien und arbeitet zurzeit an seiner Habilitationsschrift. "Papier Stein Schere" gleicht einer alptraumhaften, ausweglosen Versuchsanordnung. Zu Beginn bewohnen Leni und Jakob offenbar schon seit Jahren eine Hütte am Fuß eines Gletschers. Die Hütte gleicht "einem im Packeis verödeten Schiffsbug" und erinnert damit wohl nicht zufällig an Caspar David Friedrichs Bild "Gescheiterte Hoffnung". Auch die beiden Protagonisten sind in jungen Jahren an ihrer Liebe gescheitert. Beide absolvieren eine Odyssee durch surreale Szenerien und voll befremdlicher Begegnungen, doch schließlich finden sie sich wieder. Die "Liebe" ist zwar auf der Strecke geblieben, doch für einen Wangenkuss reicht es immer noch und zu zweit spürt man die existenzielle Augesetztheit weniger schmerzlich. Am Ende, sitzen die beiden in Eiseskälte auf einem einsamen Gipfel "und Leni haucht leise in die Nacht, Jakob, du wirst sehen, das Ende besticht durch seine Schlichtheit".

Niemals zu gewinnen

Der Titel verweist auf das gleichnamige, uralte (Kinder-)Spiel, das dem Autor als Sinnbild allen Lebens dient und dessen Witz ja darin besteht, dass die drei Spielfiguren gleichwertig sind, das Spiel somit längerfristig niemals zu gewinnen ist: "... unzählige Durchgänge, die sich der ultimativen Entscheidung in geißelndem Schneckentempo nähern. Blickwinkel, Interpretationen sind willkürlich, Vorgänge wiederholbar. Das passiert so lange, bis die Seelen zermörsert unter der gleißenden Sonne zu liegen kommen. Trotz vorläufiger Siege stolpert jede Existenz letztendlich über eine Klippe in die Tiefe! Die Länge der Zeitspanne, die erfolgreiche Wiederholung des Spieles unter gleichen Regeln, aber neuen Bedingungen macht den Reiz aus ..." Ein radikaler und auch sprachlich bestechender Text voll literarischer Bezüge (so verweist etwa die bedrohliche, leitmotivische Verwendung der Farbe "Weiß" zweifellos auf Edgar Allen Poes "Gordon Pym"): unbehaglich, manchmal kryptisch und auf jeden Fall faszinierend!

A Fucking Masterpiece

Von Michaela Falkner

104 Seiten, geb., e 15,-

Lichtspiele

Von Michael Stiller

104 Seiten, geb., e 15,-

Papier Stein Schere

Von Bernard Wallner

96 Seiten, geb., e 15,-

alle Czernin Verlag, Wien 2005

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