Schwierigkeiten stemmen

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Resilienz ist allseits gefragt. Die Erforschung ihrer Ursachen verspricht Antworten darauf, wie wir auch angesichts einer unsicheren Zukunft Entwicklungschancen nutzen können.

Was verbindet Niki Lauda, Hermann Maier und Thomas Muster? Nicht nur, dass sie in ihrem jeweiligen Gebiet Spitzensportler waren, sondern auch, dass sie sich trotz schwerer Unfälle wieder an die Weltspitze zurückkämpfen konnten. In Sportlerbiografien finden sich oft Paradebeispiele für jene Qualität, die heute mehr denn je gefragt zu sein scheint: Resilienz, die Widerstandsfähigkeit gegenüber Niederlagen, belastenden Lebensumständen, Schicksalsschlägen und Krisen aller Art.

Die Erkenntnisse über Resilienz sind für Management-Kurse und die Unternehmensberatung ebenso relevant wie zum Beispiel für das Schulwesen, die Gesundheitsvorsorge, Medizin und Psychotherapie. Warum aber stößt dieses Thema heute auf so vielseitiges Interesse? Ist es das Gefühl, dass wir uns als Individuen, aber auch als Gesellschaft zunehmend verletzlich fühlen - und somit besonders auf psychische Widerstandskräfte angewiesen sind?

Krisen als Chancen

"Resilienz als ‚heißes‘ Thema unserer Zeit ist auch mit der Erfahrung von Beschleunigung, Erschöpfung und Burn-out verknüpft; damit, dass es immer anstrengender wird, diese Wachstumsökonomie aufrecht zu erhalten“, meinte Harald Katzmair, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Beratungsunternehmens FAS-Research, beim letzten "Science Talk“, einer Veranstaltung des Wissenschaftsministeriums (BMWFW) in Wien. "Die technologische Entwicklung hat eine Geschwindigkeit erreicht, die unserer mentalen Evolution davon galoppiert.“ Zudem sei der individuelle Erwartungsdruck rasant gestiegen, wie die Psychologin Judith Glück erläuterte: "Wir haben einen sagenhaften Anspruch an uns selbst. Und wir leben in einer Gesellschaft, die perfektionistisch ist wie vielleicht nie zuvor, wo das berufliche und private Leben als eine einzige große Leistungsherausforderung erscheint, die es ständig zu optimieren gilt.“

Das Konzept der Resilienz reicht von der individuellen Stressbewältigung bis hin zum Umgang mit Extremereignissen wie schweren Unfällen, Krisen und Katastrophen. Resilienz-Forschung verspricht Antworten darauf, wie man selbst in einer unsicheren, krisengeschüttelten Zukunft handlungsfähig bleiben kann - und zugleich auch Entwicklungschancen zu nutzen versteht. Das gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für Firmen, Organisationen und ganze Gesellschaften: "Resilienz ist das Vermögen, Zyklen der kreativen Zerstörung zu durchlaufen oder, anders ausgedrückt, sich immer wieder neu zu erfinden“, so Katzmair, der systemische Krisenfähigkeit analysiert. "Was resiliente von nicht-resilienten Systemen unterscheidet, ist nicht die Verhinderung und Abwehr von Krisen, sondern das Vermögen, diese zu durchlaufen und als Chance anzuerkennen, nicht als Bedrohung zu sehen.“

Am Ursprung der Resilienz-Forschung stehen die Studien der US-amerikanischen Psychologin Emmy Werner, die auf der Hawaii-Insel Kauai knapp 700 Kinder mit dem Geburtsjahr 1955 in ihrer Entwicklung begleitete. Ein Teil dieser Kinder wuchs unter äußerst schwierigen Umständen auf, unter anderem geprägt durch Armut, Krankheit der Eltern, Vernachlässigung, Misshandlung oder Gewalt in der Familie. Trotzdem entwickelte sich ein Drittel der Kinder erstaunlich positiv: Sie hatten schulischen Erfolg, waren sozial integriert und zeigten keinerlei Verhaltensauffälligkeiten. Kurzum: Sie verfügten über Eigenschaften und Strategien, die es ihnen ermöglichten, negative Einflüsse und widrige Umstände schadlos zu überstehen.

Beziehungen und Netzwerke

Im Bereich der Medizin war es der Soziologe Aron Antonovsky, der angesichts seiner Beobachtungen von Überlebenden der NS-Konzentrationslager von der Frage abrückte, was Menschen krank macht - und sich dafür zu interessieren begann, was sie trotz der allergrößten Widrigkeiten gesund erhalten kann. Seither wurden zahlreiche Faktoren der Resilienz-Entwicklung beschrieben: Dazu zählen etwa Optimismus und Zuversicht, Lösungsorientierung, Stressbewältigung und Emotionsregulation. Im beruflichen Umfeld tragen Wertschätzung, Anerkennung und positives Feedback maßgeblich dazu bei, dass die Arbeitnehmer gesund bleiben: Wie die englische Whitehall-Studie erstmals gezeigt hat, haben Personen mit deutlich gestörter Balance zwischen ihrem beruflichen Einsatz und der dafür erhaltenen Anerkennung ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheit und weisen einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand auf.

Die Gestaltung unterstützender Beziehungen zu anderen Menschen ist wie ein Schlüssel zur inneren Widerstandskraft. Denn empathische Beziehungen vermitteln Zugehörigkeit und Stabilität, erzeugen Synergieeffekte und begründen tragfähige Netzwerke. Statt alles allein bewältigen zu wollen, schaffen sich resiliente Menschen ein soziales Umfeld, in dem sie auf vielfältige Ressourcen zurückgreifen können. Wie schwer es Menschen ohne soziale Einbindung haben, darüber berichtete Cecily Corty, die Leiterin der VinziRast-Einrichtungen für (ehemals) Obdachlose: "Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, sind in der Regel nie imstande gewesen, eine stabile Beziehung aufzubauen. Wie wesentlich das ist, erleben wir tagtäglich. Als Betreuer tun wir nichts anderes, als uns auf die Qualität der Beziehung zu konzentrieren.“

Vorsicht ist jedenfalls immer angesagt, wenn Beziehungsfähigkeit verloren geht, wie Harald Katzmair betonte. Denn das erhöht die Anfälligkeit gegenüber Krisen und Konflikten, sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene: "Systeme kranken überall dort, wo sie ihre Offenheit verlieren und beginnen, sich abzuschließen. Unsere gesellschaftliche Lern- und Entwicklungsfähigkeit hängt davon ab, wie sehr es gelingt, Bezogenheit in einem umfassenden Sinn zu leben.“

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