Sein Leben, die Kunst galt dem Schmerz

Werbung
Werbung
Werbung

Mit dem Tod von Hannes Schwarz (1926-2014) verliert dieses Land einen der unerbittlichsten Aufarbeiter der Abgründe des 20. Jahrhunderts.

Sein Leben, das die Kunst war, galt dem Schmerz: Für wohl keinen anderen Maler dieses Landes aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stand dieser so sehr im Zentrum seiner Kunst wie für den steirischen Maler Hannes Schwarz.

Als er jung war, sollte er Teil jener Rasse werden, die mit der Hinterseite des verführerischen und scheinbar so herrlichen Janusgesichts eines 1000 Jahre währenden Reiches Schmerzen in einem in der Geschichte der Menschheit nie gekannten Ausmaß anderen zugefügt haben. Schmerzen, die im Sterben und Ermorden von Millionen von Menschen endeten. Er war, als Sohn einer tieffrommen Magd und eines "Sozialisten der ersten Stunde“ auserwählt, selbst ein Herrenmensch zu werden, weil er musisch und sportlich außergewöhnlich begabt gewesen war: Am Ende - er war erst neunzehn - sah er diese andere Seite, sah er, was diese Menschen, von denen er selbst, ausgebildet in der Eliteschule in Sonthofen, einer sein sollte, verbrochen hatten.

Geistige Neuorientierung

Ein ganzes Leben lang sollte er diese traumatische Erfahrung in seinen Bildern abarbeiten. Nicht nur seine Bilder, auch seine Worte hatten dabei immer eine große Schwere. Viele, von ganz anderem getrieben, wichen und weichen dieser aus. Man hatte Angst vor ihm. Wenn man ihn näher kannte, wandelte sich diese Schwere in eine unendliche Liebenswürdigkeit und Güte. Irgendwann streifte man auch an seinen unzähligen gelesenen Büchern vorbei. Man sprach über Schubert und Bach. Man sprach über Philosophie. Über Wittgenstein, Kolakowski, Adorno, Kafka, Cioran - und wie sie alle heißen, die für die lebensnotwendige und fast lebenslang währende Geistes-Therapie nach dem Göttersturz des Nationalsozialismus für ihn notwendig waren.

Dass auch Kunst allen Herren dienen kann, hat Schwarz sehr früh erlebt. Ich höre noch seine Stimme, wie er, den so schweren Denker aus Siebenbürgen, Emile Cioran, zitierend, sagte: "Es ist ein NEIN! Aus der unendlichen Sehnsucht nach einem JA.“ Da war er schon fast 70. Schwarz sagte nach seinem biografischen Zusammenbruch im Jahre 1945 "Nein“. Er konnte diese Welt nicht mehr gut heißen. Dazu hatte er zu viel gesehen. Er sagte Nein - mit dem Alter auch zunehmend zu einer Kunstwelt, die er mehr und mehr kritisierte: "Ich bin gegen die Brechung der Probleme durch Ironie“. Er sagte Nein - zu einer Religion, die viel zu oft das Wort "Gott“ aussprach. Er hatte miterlebt, was ein Gott ist und wie dieser fallen kann. Allen Erlösungsanbietern gegenüber war er fortan skeptisch eingestellt.

Kunst aus einer metaphysischen Not

Die Bilder, die er uns zurücklässt, sind einer tiefen metaphysischen Not entsprungen, weshalb sie über eine konkrete Geschichtserfahrung weit hinausgehen. Es gibt kaum einen Künstler, der in einem so kontinuierlichen Lebenswerk die Spanne des existentialistischen Wurfs in die Welt bei gleichzeitigem Erleiden des Versagens der Antworten aus dem Absoluten so sehr durchgehalten hat wie der Maler Hannes Schwarz. Seine geschundenen Leiber malte Schwarz, wie Wilfried Skreiner zu Recht kurz vor seinem Tod in seinem Buch "Botschaften eines skeptischen Humanisten“ betont hat, zeitgleich mit oder teilweise sogar vor Francis Bacon. Angesichts der Gitterbilder der 60er-Jahre, angesichts der auf dem Krankenbett dahinsiechenden Insektenkörper der 70er-Jahre, angesichts des Entschwinden des Körpers eine kurze Zeit später, etwa in den kultisch anmutenden Opferstelen ist die Transformation seiner Bilder in seinen späten Bildern der 80er- und 90er-Jahre fast einem Vorschein auf Vollendung gleich-zusetzen: Es erscheinen plötzlich Früchte als Emanationen des Geistes. Bäume in einer Ruinenapsis oder dem Innenraum eines Helms. Wimpeln im grenzenlosen Horizont. Mauern des Schweigens. Grenzen als Kontemplation. Gefaltete Blätter als Monument.

Schwarz stellte für seine Bilder den Anspruch, dass sie die Zeit, in der sie entstanden sind, deuten, überdauern und dass sie dabei einen metaphysischen Trost zu vermitteln in der Lage sind. Das ist viel. Und das kann kaum einer von sich behaupten. Hannes Schwarz gilt dabei entdeckt zu werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung