Selten so sehr an die Liebe geglaubt

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Brigitte Fassbaender inszenierte Smetanas "Die verkaufte Braut“ am Tiroler Landestheater neu. Orchester und Besetzung machten ihre Aufgaben sehr gut, allen voran Christa Buffle als Marie.

Das kurze Fortissimo am Beginn der Ouvertüre muss kein Jauchzer sein. Es kann von der Kraft eines jungen Paares künden, sich Zwängen zu entziehen und ihrer Liebe eine eigene Welt zu erschaffen. Friedrich Smetanas komische Oper "Die verkaufte Braut“ führt in einen Hinterhalt, wer sich trachtenseliger Kirchweih-Happy-Ends versichert. Denn unglücklich sind sie alle, die hier auftreten. Beim Heile-Welt-Finale im Sinn allseitiger Umarmung würden die Katastrophen durch Generationen prolongiert.

Brigitte Fassbaender, die Böhmens Nationaloper im Tiroler Landestheater neu inszenierte, kann das nicht passieren, weil sie allen Figuren das Stethoskop ansetzt, genau hinhört. Wer sich auf die Ouvertüre einlässt, vernimmt auch nicht nur die F-Dur-Naturnähe, sondern Smetanas Ansetzen zur strengen alten Form der Fuge, wo es um Volkstrubel geht, die Moll-Melancholie für die Braut und die harmonischen Verzerrungen im Eingangschor. Und dann macht Marie in Moll ihrem Hans eine Eifersuchtsszene.

Das wahre Happy End

Die Ausgangslage ist nicht rosig. Maries Vater hat dem wohlhabenden Micha im Gegenzug zu einem Schuldenerlass seine Tochter für dessen verlachten Sohn Wenzel versprochen. Ein Kuhhandel. Marie aber steht zu Hans, einem Habenichts unbestimmter Herkunft, mit dem sie aufrichtige Liebe verbindet. Hans ist von seiner Stiefmutter von zu Hause vertrieben und um sein Erbe gebracht worden. Die Eltern des Liebespaares führen triste Ehen: Maries Vater ist leicht zu überfahren, die Mutter mit ihrem Kind fühlend, doch unterdrückt, gehorsam, ängstlich. Wie die Mutter will Marie nicht werden. Wenzels Vater hat in zweiter Ehe jenes herrschsüchtige Weib, das einst Hans aus dem Haus vertrieb. Den Elternpaaren hilft der Heiratsvermittler Kezal, der nicht auf Gefühle, sondern aufs Geld schaut. Hans, Michas Erstgeborener, legt ihn herein und kriegt Marie. Wie kann das im Familienverband gut gehen?

Fassbaender spendiert das wahre Happyend. Selten hat sie in ihren Inszenierungen so sehr an die Liebe geglaubt. Sie führt Hans und Marie weg von Familie, Umfeld und Korruption in ein neues Leben.

Christine Buffle kommt der psychologische Realismus der Inszenierung sehr entgegen, sie gab in der Premiere mit enormer schauspielerischer Intensität und stimmlich strahlender, aber auch empfindsamer Ausdruckskraft der Marie die Konturen einer jungen, starken Frau. Martin Hombrich ist ein hoffnungsvoller junger Tenor, der den Hans aufrichtig, aber durch seine Verletzungen verhalten zeichnet. Seine Partie und Stimmfarbe verweist auf Smetanas Sympathie für die neudeutsche Schule. Eine feine Studie gelingt Thomas Paul, der seinen Tenor aufleuchten lässt, mit dem Wenzel. Fassbaender verweigert der Figur den Dorftrottel, ihr Wenzel ist ein liebevoller und liebebedürftiger junger Mann, der den Verhältnissen nicht so viel Kraft entgegensetzen kann wie Marie und zum Stotterer wird. Der Heiratsvermittler Kezal ist weit entfernt von der orgelnden Behäbigkeit eines Bassbuffos. Mit seinen Aktenordnern voller Fotos ein schmieriger, skrupelloser Typ - bei Stephan Klemm, der ihn stimmlich wie darstellerisch konturiert, in guten Händen. Sehr gut besetzt wie üblich auch die kleineren Partien.

Es erklingt die Endfassung der Oper mit allen nachkomponierten Perlen, gleichzeitig erinnert man an die Urfassung mit Dialogen. Brigitte Fassbaender hat sie neu geschrieben und knapp gehalten.

Gefühl, Schubkraft und Tempo

Die virtuos gespielte Ouvertüre signalisierte einen musikalisch vorzüglichen Abend und das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck ging unter der Leitung des souveränen Alexander Rumpf blendend durch die Herrlichkeiten dieser Oper. Hand in Hand mit der Regie entstanden Ausdrucksnuancen, wechselten Lyrismen mit Smetanas Temperamentausbrüchen. Das hatte Gefühl, Schubkraft, Tempo und auch heitere Momente - ein Höhepunkt Maries und Hans’ Streitduett. Der Chor, eher im Hintergrund, gab sein Bestes.

Glückes genug, und doch geht die Produktion atmosphärisch nicht ganz auf, und das liegt wohl an der Mehrdeutigkeit von Ort und Stil. Dass Fassbaender kein Folklorespektakel inszeniert, steht außer Frage. Doch Erwin Bode baute als Einheitsbühnenbild einen gestuften Tanzsaal, auf den man als Zuschauer nicht reagieren kann, der einen nicht hineinzieht. Vignetten mischen Jugendstil und Volkskunst. Mit den Signalen von Smetanas Volkstänzen konnte Choreograph Enrique Gasa Valga ebenfalls nicht umgehen, mixte Elemente aus klassischem Ballett, Volkstanz und Formationstanz, die Tänzer in Turnier-Kostümen, weil angeblich für einen Wettbewerb geprobt wird. Das funktioniert nicht. Nur die Liebe weiß, wie Umarmung in leisen Tanz mündet.

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