Showdown, ganz und gar unkorrekt

Werbung
Werbung
Werbung

Nun kommt Quentin Tarantinos Film „Inglourious Basterds“ auch in die heimischen Kinos: Eine Farce, die sich nicht um die Historie schert und doch die Dämonie der NS-Herrschaft perfekt erfasst hat – gerade durch Christoph Waltz’ abgrundtiefe Darstellung.

Einmal „Pulp Fiction“, immer „Pulp Fiction“: Seit Quentin Tarantino vor 15 Jahren dem Schundroman ein unerreichtes Filmdenkmal gesetzt hat, scheint es diesbezüglich nichts Neues mehr unter der Sonne zu geben. Wir haben ja in „Pulp Fiction“-Erinnerung, wie Samuel L. Jackson als Auftragskiller Vincent unter Rezitieren des Propheten Ezechiel sein Blutbad anrichtet. Kein Wunder, wenn sich Tarantino, der Berseker aus Hollywood, der Hitlerei auf dem verfilmten Schundroman-Niveau annimmt. Und dabei mitnichten den Gröfaz und seine Epigonerln in den Trash zieht oder hollywoodig verharmlost.

Im Gegenteil: „Inglourious Basterds“, dieser Tarantino’sche Bastard, schafft es mehr als andere Filme aus der Traumfabrik, die Fratze des Dritten Reiches zu entlarven. Solches ist dem Opus taxfrei zu konzedieren: Es mögen Epen von „Schindlers Liste“ bis „Operation Walküre“ ihre Meriten haben. Doch die genaue und bis ins kleinste durchdachte Fiktion Quentin Tarantinos hält bei aller Farce so viele Abgründe parat, dass einem Hören und Sehen vergeht sowie das Lachen im Mund gefriert.

Vielleicht ist der respektlose Umgang mit der Historie unter Beachtung des Respekts vor dem übergroßen Thema das Geheimrezept, wie man die Gräuel des Dritten Reichs auf die (Film-)Bühne bringen kann. Man erinnert sich noch missmutig an den brabbelnden Untergänger Bruno Ganz alias Adolf Hitler, der 2004 im Betroffenheitsschinken über des Führers letzte Tage einen Anti-Höhepunkt seiner Karriere erleben musste: So nicht. Aber vielleicht funktioniert es so, wie es Tarantino vormacht.

Trashige Farce, aber ohne Abstriche ins Verblödeln. Zu Letzterem gibt es auch Gegenbeispiele wie Dany Levys nur halb aufgegangener Film „Mein Führer. Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2006) mit Helge Schneider als Protagonisten. Damals wie in Tarantinos Film gibt Sylvester Groth den Joseph Goebbels: Seine Perfomance in „Inglourious Basterds“ dürfte wesentlich nachhaltiger in Erinnerung bleiben.

Verballhornung schon im Titel

Schon der Titel „Inglourious Basterds“ spielt aufs Farcehafte an, denn er stellt eine Verballhornung eines Filmtitels des italienischen Regisseurs Enzo Castellari dar, der 1978 hierzulande unter „Ein Haufen verwegener Hunde“ ins Kino kam und von einer Gruppe amerikanischer Deserteure und französischer Résistance-Leute handelt, die den Deutschen Leben und Rückzug schwer machen. Dieser Streifen lief im angelsächsischen Raum unter „Inglorious Bastards“, Tarantino wagt eine Reminiszenz an diesen nicht übermäßig bedeutenden Kriegsfilm und zieht diesen durch die verquere Orthografie in seinem Titel zusätzlich noch in den Schmutz.

Auch sonst zitiert der Regisseur, der über ein Jahrzehnt am Drehbuch gearbeitet hat und der für seine penibel in Szene gesetzten Einstellungen und Dialoge berüchtigt ist, was das Zeug hält – sich selber ebenso wie fremde Mythen – siehe „Pulp Fiction“: Wo anderswo ein Schuss reicht, rattert hier eine Maschinengewehr-Salve, der Oberböse erwürgt im Beisein des p. t. Publikums die Spionin Bridget von Hammersmark (Dianne Kruger) und der jüdische US-Soldat Donny Donowitz (dargestellt vom Horrorfilmemacher Eli Roth) zertrümmert gefangenen deutschen Offizieren mit einem Baseballschläger den Schädel – auch daran darf das Auditorium teilhaben. Übrigens: Donowitz heißt bei den deutschen Feinden „der Golem“ – wird also nach dem Monster der jüdischen Mythologie benannt.

Donowitz ist ein Mitglied der US-Truppe, die unter dem Namen „Die Bastarde“ firmiert und im besetzten Frankreich operiert. Sie fügt den Deutschen wenige, aber äußerst brutale Verluste zu. Lieutenant Aldo Raine (Brad Pitt) führt die Truppe, die unter anderem einen Anschlag auf die Bosse der Bosse – Hitler & Co – planen. Zuvor erzählt – und zeigt – Tarantino die Ausrottung der französisch-jüdischen Bauersfamilie Dreyfus.

Nur Tochter Shosanna (Mélanie Laurent) entkommt und findet sich fünf Jahre später als Kinobesitzerin in Paris wieder, wo sie bei der Ausrottung der NS-Spitze mittun darf: Denn in Shosana hat sich nämlich der Kriegs- und Leinwandheld Fredrick Zoller (Daniel Brühl) verguckt. Und der erreicht bei Goebbels, dass sein neuer Film in Shosannas Kino – Paris ist anno 1944 gerade noch besetzt – uraufgeführt wird. Und zwar im Beisein von Hitler, Göring, Goebbels und Bormann.

August Diehl, Gedeon Burkhard oder Til Schweiger bereichern die „deutsche“ Besetzung des Films, ebenso „Tatort“-Kommissar Martin Wuttke als Hitler.

Christoph Waltz’ Ausnahmespiel

Aber – und das hat ja die Jury der Filmfestspiele Cannes längst bezeugt – der Film steht und fällt mit Christoph Waltz’ Darstellung des SS-Oberst Hans Landa: Derartig abgründige Performance eines intellektuellen polyglotten Dämons in Menschengestalt, der aalglatt und unbeirrbar sein(e) Ziel(e) verfolgt, ward im Kino der letzten Jahre nie gesehen. Brad Pitt in allen Ehren: Ohne Waltz wären die „Inglourious Basterds“ nie und nimmer ein exzeptioneller Film.

Jede Geste und jede Miene dieses bösen Spiels sind eine Ausnahmedarstellung. Und wie Herr Oberst ansatzlos übergehend auf deutsch, französisch, englisch und ein wenig italienisch parliert, das macht Waltz niemand nach. Man kann nur empfehlen, den viersprachigen Film in Originalversion – ohne Untertitel – anzuschauen. Auch wenn man nicht alles versteht, versteht man alles – und kann hier ermessen, welche kompositorische Leistung Drehbuchautor und Regisseur Tarantino hier vorlegt.

Und zum Drüberstreuen ist der Film – mitten im Digitalzeitalter – auch eine Hommage ans Kino alter Schule. Kein Zufall, dass der historisch ganz und gar unkorrekte Showdown in einem Kino stattfindet: Film kann die Welt retten!? Am Ende ist es Quentin Tarantino ja dann doch um diese eine Botschaft zu tun.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung