Sich nicht vor den Karren spannen lassen

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Ein Beamtenstreik ist kein Spaziergang. Staatsdiener müssen ihr Ziel anders erreichen und Durststrecken in Kauf nehmen.

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Ein Beamtenstreik ist kein Spaziergang. Staatsdiener müssen ihr Ziel anders erreichen und Durststrecken in Kauf nehmen.

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In einem geradezu unfassbaren Ausmaß verschärft sich die politisch-soziale Lage in Österreich. Über Generalstreik wird nachgedacht, begleitet von schrillen, wütend drohenden Tönen. Wo liegt die Ursache, eigentlich "Schuld"? Sicher auch bei der Bundesregierung. Immer mehr wird für sie zum Problem, dass sie Notwendiges und Richtiges rasch nachholen will, aber das ohne ausreichende Sorgfalt - sozusagen "auf Teufel komm raus". Muss man sich wirklich von lähmender Konsenssuche um jeden Preis weg gleich der Rücksichtslosigkeit annähern?

Den Gewerkschaften muss man dennoch mit sehr ernster Warnung entgegentreten. Arbeitskampf gegen Parlament und Gesetze ist "politischer Streik". Er ist in rechtsstaatlichen Demokratien strikt verpönt und auch arbeitsrechtlich eindeutig verboten. Ganz abgesehen davon würde der ÖGB sich damit nach mehr als einem halben Jahrhundert von einer staatstragenden Institution zur randalierenden Oppositionstruppe wandeln - wollen das seine Millionen Mitglieder?

In gewissem Sinn trifft das auch auf die Beamten zu. Ihre Verärgerung ist verständlich, vor allem gegenüber dem freiheitlichen Koalitionspartner. Da neigt man ja dazu, dem "bewährten" Rezept Jörg Haiders folgend, bestimmte Gruppen zu Sündenböcken zu machen. Dazu kommt die Kälte des immer wieder gehörten: "Sollen sie halt." Das ist eine explosive Mischung. Da hilft nichts, wenn Kanzler Schüssel auf die Verdienste und Unentbehrlichkeit des guter Tradition verpflichteten österreichischen Beamtentums hinweist. Der öffentliche Dienst ist mitsamt seiner üblen Politisierung in viele Bereiche hineingewuchert, wo er nicht hingehört. Da und dort kann noch immer die vielzitierte "ruhige Kugel geschoben" werden. Das ist aber eindeutig die Schuld bisheriger Politik. Seit Jahrzehnten bastelt man an "Verwaltungsreformen", produziert aber weiterhin haufenweise neue Vorschriften, die vollzogen werden sollten. Das gigantische Problem einer radikalen Straffung der auf fünf (!) Ebenen verteilten Administration schreit nach Lösung: EU, Republik, Länder, Bezirke und Gemeinden. Aber im ersten Schritt fährt man nur mit der Heckenschere über den neu anzulegenden Garten und will beim Gießen sparen.

Dennoch: Auch ein Beamtenstreik ist kein Spaziergang, den man ohne "Ausstiegsszenario" antreten kann. Was soll damit "erkämpft" werden? Die Regierung kann nicht in die Knie gezwungen werden, denn alle anderen Sparopfer würden ohne Verständnis überbleiben, vor allem die Pensionisten. Das hätte für die Koalition katastrophale Folgen. Dazu kommt, dass sich Staatsdiener zehnmal überlegen sollten, erstmals ihre Loyalitätsverpflichtung gegenüber der in Finanznöte geratenen Republik auf so drastische Weise zu brechen. Ihr Dienstgeber ist nicht Frau Riess-Passer, sondern wir alle sind es.

Auch sollte man bedenken, wie schnell man sich vor einen Karren gespannt wiederfindet, der von Protes-tierern aller Art gezogen wird, die ihr eigenes Ziel erreichen wollen, das keineswegs das der Republik ist. Die werden jubeln ob ihrer neuen Bundesgenossen und flugs ihr Herz für Leute entdecken, die sie sonst gar nicht mögen. Was nun keineswegs bedeuten soll, dass Beamte nicht das Recht haben sollen, energischen Streit für ihre berechtigten Anliegen zu führen. Sie müssen nur ihr Ziel anders zu erreichen versuchen als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft und Durststrecken in Kauf nehmen. Eigentlich müssten sie Verbündete auf dem Weg zu einer schlanken Verwaltung mit hoch qualifizierten und anständig besoldeten Bediensteten sein.

Dieses Ziel wäre zu erringen! Ein vertrauensvoll und geradezu feierlich besiegelter Pakt also über beiderseits zugesicherte, gründlich durchdachte Erneuerung. Ein Beamtenstreik würde das schändliche Versagen beider Partner eines solchen unerlässlichen Vorhabens bedeuten. Er sollte daher unterbleiben.

Der Autor war ÖVP-Generalsekretär, Bundesobmann des ÖAAB und Volksanwalt.

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