Sich selbst zur Legende machen

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Jetzt also auch Ryszard Kapu´sci´nski. Sein Biograf Artur Domoslawski hat den wohl berühmtesten polnischen Reporter des 20. Jahrhunderts soeben der Fälschung überführt. Anders als von Kapu´sci´nski selbst behauptet, habe dieser weder Che Guevara gekannt, noch sei er je dem kongolesischen Freiheitskämpfer und späteren Premierminister Patrice Lumumba begegnet. Kurz zuvor war bereits Indro Montanelli, der in Italien noch heute unter einer Art Denkmalschutz steht, von seiner Schweizer Biografin Renata Broggini vom Sockel gestürzt worden. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatte er sich im Schweizer Exil keineswegs so eindeutig auf Seiten der Resistenza geschlagen, wie er das später schönredete. Und schon länger haben Historiker herausgefunden, dass auch Henry Louis Mencken, eine der amerikanischen Journalisten-Ikonen, sowie der „rasende Reporter“ Egon Erwin Kisch, nach dem noch heute einer der wichtigsten deutschen Journalistenpreise benannt ist, ziemlich fantasievoll ihre eigene Biografie verklärt haben, wenn es ihrer Ansicht nach solcher Schönheitskorrekturen bedurfte.

Nun werfe keiner den ersten Stein aus dem Glashaus. Jeder weiß, dass es so etwas wie „Lebenslügen“ gibt und dass wir letztlich alle „Theater spielen“ – wie in einem klugen Buchtitel des großen Soziologen Erving Goffman schon vor Jahrzehnten verewigt. Der Münsteraner Kommunikationsforscher Klaus Merten, der vom Temperament her zu Sarkasmus neigt, hat einmal Public Relations als diejenige Branche beschrieben, „wo die Grenzen von zulässiger Kommunikation tagtäglich neu ausgetestet werden“ und in diesem Kontext auch „die Lüge als Kommunikationsinstrument“ verteidigt. Mit Augenzwinkern halten wir fest, dass auch prominente Journalisten offenbar gut in der PR-Branche verwurzelt sind, dann jedenfalls, wenn sie, die Öffentlichkeit suchend, sich selbst zur Legende stilisieren.

* Der Autor ist Kommunikationswissenschafter in Lugano/CH

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