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Als ich kürzlich in der Bundeshauptstadt eintraf, bestieg ich gleich am Westbahnhof ein Taxi, in der trügerischen Hoffnung, mit ihm rascher als zu Fuß zum Café Ritter in der Mariahilfer Straße zu kommen. Der Taxilenker war ein massiger Herr um die sechzig, der an Kurzatmigkeit litt, und hatte, wie sich das früher gehörte, eine Fahrermütze auf dem Haupt. Bei den Taxifahrern gibt es bekanntlich die Schweiger und die Erzähler, mir sind beide recht. Dieser war ein Schweiger und so beobachteten wir beide stumm, wie die Fußgänger uns nach ein paar Metern, die wir gefahren waren, immer wieder mühelos einholten. Dann aber passierte etwas Merkwürdiges, das mir einen neuen Aspekt österreichischer Kultur enthüllte. Ein zögerlicher Autofahrer versuchte nämlich vor uns aus einer Seitenstraße herauszufahren, überlegte es sich aber anders und blieb, halb schon auf unserer Straße, halb noch in der seinen, stehen. Und da sagte mein Fahrer, weil Schweiger, wenn sie schon reden, auch dazu verpflichtet sind, ihr Schweigen nicht mit Belanglosem zu brechen, etwas durchaus Gewichtiges: "Also, was ist: Fahren Sie jetzt heraus, Sie blöde Sau, oder bleiben Sie drinnen?"

Diese ruhig und ohne Anzeichen von Verärgerung gesprochenen Worte rechtfertigten die Taxifahrt, für die in dieser innerstädtischen Stauzone sonst nicht viel gesprochen hätte. Was für eine urbane Gesittung! Dieses höflich distanzierte Sie, das anders als auf dem Lande, wo alle Leute sich bäuerisch duzen, niemandem vorenthalten wird! Andrerseits die weltoffene Freimütigkeit, mit der man den Partner einer kommunikativen Situation nicht darüber im Unklaren lässt, was man von ihm hält. Sie Sau - dem Mitmenschen weder den Respekt noch die wahrhaftige Einschätzung seiner Persönlichkeit vorzuenthalten, so elegant geht das vermutlich nur in Wien.

Der Autor ist Schriftsteller und Literaturkritiker in Salzburg.

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