Sie schlugen und küssten sich

Werbung
Werbung
Werbung

Der Förderpreis "Neuer Deutscher Film" am letztjährigen Filmfest München war eine klare Angelegenheit: Vier Preise wurden vergeben, viermal hieß der Gewinner "Love Steaks". Eine Kategorie barg dabei Zündstoff: Regisseur Jakob Lass und seine Mitstreiter stachen die anderen Kandidaten auch beim Drehbuch aus - der Tatsache zum Trotz, dass sie eigentlich gar keines hatten. Als sie daran gingen, die "Amour fou" zweier völlig unterschiedlicher Menschen zu drehen, hatten sie vielmehr 18 Rumpfszenen, um die herum alles andere direkt am Schauplatz entstehen sollte, eine Anzahl Regeln und einen Namen für ihre Vorgehensweise: Fogma, in Anspielung auf die längst totgelaufene Dogma-Bewegung um Lars von Trier oder Thomas Vinterberg, die ihren Befreiungsschlag fürs Filmemachen mit einem Korsett an Vorschriften landen wollte.

Statt stilistischen Zwängen wie dem Drehen auf Filmmaterial oder dem Nein zum Genre geht es bei Lass und seinem Team jedoch um die Form des Arbeitens: So ist der Drehtag auf zwei Blöcke à vier Stunden begrenzt, um Erschöpfung zu vermeiden, und die Arbeit an einer Szene darf maximal einen dieser Blöcke lang dauern. Aus dem kooperativen Schaffen soll die Kreativität kommen, Handlungsfreiheit wiederum soll eine andere Entscheidung bringen: der Verzicht auf Fördergelder. Mit dieser Linie stehen Lass und Co. im jungen Kino bei weitem nicht allein. In Österreich etwa verfolgt Daniel Hoesl ("Soldat Jeannette") einen ähnlichen Ansatz. Bewusst wird dabei prekäres Filmemachen in Kauf genommen, um sich den Gang zu den öffentlichen Stellen zu ersparen, damit aber auch die Einreichungen, Fristen, Entscheidungen und Bedingungen, unter denen eventuell nach geraumer Zeit eine Finanzierung zugesagt wird.

Ruf gegen filmische Konventionen

Im Zweifelsfall hat das installierte System auch wenig Grundlage, um vorab ein dezidiert im Prozess entstehendes Projekt wie "Love Steaks" zu beurteilen, das mit zwei Schauspielern in den laufenden Betrieb eines Hotels geht und integriert, was es vorfindet. Dort begegnen sich Lara (L. Cooper) und Clemens (F. Rogowski) - sie arbeitet in der Küche, er fängt gerade als Masseur an. Sie hat keine fixen Ziele, trinkt exzessiv und stachelt sich mit ihren Kollegen gegenseitig im Machogehabe an. Er wiederum ist einfühlsam, scheu, wirkt geistig schwerfällig und wenn eine seiner Patientinnen ihm sexuelle Avancen macht, weiß er in seiner Panik nicht zu reagieren. Beim Arbeiten läuft man sich immer wieder über den Weg. Lara wird auf den eigenartigen Kerl aus dem Wellnessbereich aufmerksam. Er sammelt sie auf und versorgt sie, als sie erneut über die Stränge schlägt. Sie besucht ihn sodann immer häufiger in seiner provisorischen Unterkunft im Wäschelager. Es wird körperlich. Man verspricht sich etwas: Clemens geht aus sich heraus, dafür hört Lara mit dem Trinken auf -er nimmt seinen Teil ernst, sie nicht.

Im Wechselspiel dieser Charaktere, verstärkt durch die Umgebung, schaukelt der Film in Richtung eines Finales, bei dem Kino einen Moment lang entfesselte Emotion ist. Auch zwischendurch finden sich manch starke Bilder und Szenen, nur ist der Weg dorthin nicht selten ein widerborstiger, wenn er sich in Improvisation zu verlieren droht. Die dabei durchscheinende Authentizität und der Ansatz zur Kreativität bescherten "Love Steaks" eine beachtliche Festivalkarriere, dazu auch den renommierten Max Ophüls-Preis -und eben auch jenen fürs Drehbuch in München. Es wäre keine Überraschung, wenn darin ein Ruf gegen filmische Konventionen steckt, die nicht nur im deutschsprachigen Raum institutionalisiert gefördert werden. Dieses Versprechen gibt Regisseur Lass jedenfalls ab: dass er energisch am Aufreißen filmischer Verkrustungen ist.

Love Steaks D 2013. Regie: Jakob Lass. Mit Lana Cooper, Franz Rogowski. Polyfilm. 89 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung