Sieht so "Fortschritt" aus?

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Schnell ist da vom Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9) die Rede, Symbol für Gigantomanie und Selbstüberhebung. Er lag einst 1000 km vom modernen Dubai entfernt

Das Wiedersehen war Zufall. Am Heimflug von unserer FURCHE-Leserreise in den Oman war ein Flugzeug ausgefallen -wir hatten Zeit für eine Fahrt durch Dubai.

1971, vor mehr als 45 Jahren, war ich erstmals dort gewesen: damals ein Perlfischer- und Schmugglerzentrum mit Hafen, Windtürmen -und Scheich Raschid, der als schlauester Wüstenfuchs galt. Mit ihm bin ich morgens durch Dubai gefahren, wenn er - wie einst Harun al-Raschid - erkundet hat, wo in seinem "Reich" Mülltonnen und Gehsteige fehlten -und wo man das neu entdeckte Erdöl lagern könnte. Auch einen Helikopter hatte er schon, mit einem Österreicher am Steuer. Malerisch der Blick von oben - auf Schiffe, alte Häuser und die endlose Wüste.

Später war ich zwar mehrfach in Dubai zwischengelandet, ohne aber den Airport zu verlassen. Jetzt blieb dafür Zeit. Fazit: Ich war fasziniert, irritiert und bestürzt -alles zugleich. Und sehr nachdenklich über Kreativität, Versuchung und Hybris. Über eine Stadt am Treffpunkt von Wüste, Erdöl und Überlebensangst, die alles menschliche Maß verloren hat.

Dubai, Stadt der Rekorde: 350 "Wolkenkratzer" mit dem höchsten Gebäude weltweit (828 Meter). Und schon wächst gar ein "Sternenkratzer". Höher, größer, teurer - die Hotels, Einkaufszentren und Wasserfontänen, die Feuerwerke samt künstlichem Sonnenaufgang. Jeder vierte Baukran der Welt dreht sich derzeit in Dubai.

17 lebensgroße Pferde aus Gold sind Symbol der 17 Kinder des Herrschers. Luxusautos rollen über die "Happyness-Straße" - und ein spektakuläres "Zukunftsmuseum" entsteht.

Zukunft -so?

85 Prozent Ausländer

40 Minuten dauert unser Marsch am Flughafen vom "Check-in" zum Gate. 90 Millionen Passagiere werden jährlich abgefertigt; jede Minute landet eine Maschine -und eine andere startet. Wenn der neue, zweite Airport zur "Expo 2020" fertig ist, werden es um 50 Millionen mehr sein. Seit 2016 hat Dubai kein Erdöl mehr (nur Gas), dafür aber mehr Touristen, Flugzeuge, seinen Hafen, Banken, Immobilien 85 Prozent(!) der Einwohner sind Ausländer -trotz Hitze bis 50 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit.

Ich erkundige mich, wie das in eine Großregion der Krisen und Flüchtlinge passt. Gar nicht, heißt es. Menschen aus 200 Nationen arbeiten hier krisenfrei zusammen. Fleiß, Sauberkeit und Einordnung sind großgeschrieben. Und: Flüchtlinge gibt es ohnedies keine. Denn nur wer einen Arbeitsplatz hat, kann ins Land. Flüchtlinge aber haben keinen. Außerdem: Dubai hat beste Beziehungen zu allen, die ringsum an der Macht sind. Hier geht es ja nicht um fremde Schicksale, sondern um das Überleben dieser beispiellosen Stadt. Alles mit Vollgas.

Schnell ist da vom Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9) die Rede, Symbol für Gigantomanie und Selbstüberhebung. Er lag einst 1000 km vom modernen Dubai entfernt. Die Frage, ob es zwischen den beiden Annäherungen gibt, bleibt offen und spannend.

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