Junge Geistliche sind gegenüber der Moderne skeptischer als Ältere. Und sie sind weniger dissonant mit der Kirchenleitung. Zu weltfremd?
Die Spaltung in der Kirche in jene, die eine Öffnung wünschen, und jene, welche einen eher engen Kurs verfolgen, setzt sich in die nächste Generation fort. Der Nachwuchs an Geistlichen steht zudem der Öffnung und der Moderne deutlich skeptischer gegenüber als jene Gruppe an älteren Geistlichen, die noch direkt durch das Zweite Vatikanische Konzil geprägt wurden. Auch das belegt die Umfrage für die ORF-Sendung „kreuz und quer“ unter 500 Pfarrern, die seit dieser Woche als Buch vorliegt.
„Die Auseinandersetzung mit der modernen Kultur polarisiert die Kirche und ihre Pfarrerschaft“, berichtet Buchautor Paul M. Zulehner. So stünden heute angesichts der modernen Welt und den Erfahrungen nach dem Zweiten Vatikanischen zwei Lager gegenüber, die auch „mit gegenseitigen Belagerungen nicht immer sparen.“
Einerseits seien dies die „Kirchenmaurer“, die einen Anteil von 37 Prozent hätten. Sie wollen, so Zulehner, dass die Kirche wieder eine feste Burg mit hohen Mauern und verschlossenen Fernstern wird. Damit würden sie „der Schande“ der Reformen, der Öffnung, des Konzils eine Ende bereiten.
Mehrheit für konziliaren Kurs
Andererseits bleibe die Mehrzahl von 63 Prozent auf dem konziliaren Kurs der Öffnung und wünsche, dass dieser Weg entschlossener gegangen werde. Da der Verdacht „groß“ sei, dass die konziliare Generation abtrete und eine andere nachkomme, sei der Blick auf deren Daten zu richten.
Das Ergebnis der Befragung vorweg: Je jünger ein Pfarrer ist, desto skeptischer steht er der Moderne gegenüber. In den Daten (Grafik oben) zeigt sich: Je älter ein Pfarrer ist, desto eher ist er der Meinung, die Kirche solle sich der modernen Welt mehr öffnen. Gereiht nach Weihealter ist es umgekehrt, aber das ist erklärbar.
In je höherem Alter jemand geweiht wurde, desto wahrscheinlich ist seine Entscheidung für eine geistliche Berufung auch mit der Abkehr von der Welt verbunden. Wer also als Junger zum Priester geweiht wurde, ist eher für eine Öffnung der Kirche zur Welt als jener, der etwa erst im Alter von 36 Jahren die Weihe empfing.
Die jüngeren Pfarrer sind auch gegenüber der Kirchenleitung weniger dissonant als die Älteren (siehe Grafik unten). Bei den Jungen denke nur ein Viertel anders als die Kirchenleitung, bei den 60-Jährigen hingegen mehr als die Hälfte.
Diese jungen Pfarrer zeigen, wie die Studie erläutert, ebenfalls keine hohe Wertschätzung für die Beteiligung der Leute: „Sie (gemeint sind die jungen Geistlichen, Anm.) werden daher das Leben in den Pfarrgemeinden autoritativ/autoritär-klerikal bestimmen.“
Wohin geht also die katholische Kirche in den nächsten Jahren, fragt Zulehner in einem abschliessenden Kapitel. Sollte sich die festgestellte Entwicklung unter jungen Geistlichen weiter vollziehen, bleibe eine „geschrumpfte Kirche“ über. Sie werde „in sich abgeschlossen sein, mit geringen inneren Spannungen, einer traditionellen Frömmigkeit, auf die sakramentalen Feiern zentriert, mit wenig diakonaler Außenpräsenz bei den Armen und in der Welt von heute“ ...
Was tun? Zulehner: Die Kirche müsste für ihre Ämter moderne Frauen und Männer gewinnen, sonst drohe der Marsch ins antimoderne Ghetto. Für ihn, so Zulehner, ein Grund zu „schwerwiegender Besorgnis.
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