So machen es wirklich alle

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Mozarts "Così fan tutte", ausschließlich von Männern gespielt: Ein Gastspiel der Neuköllner Oper bei den Wiener Festwochen.

Von "ganz besonderen Gefühlen" bewegt sind Guglielmo und Dorabella in ihrem leidenschaftlichen Duett. Bei den Wiener Festwochen erhält diese Zeile aus Wolfgang Amadeus Mozarts "Così fan tutte" eine neue Dimension, denn es sind zwei Männer, die sich dabei in die Arme fallen. Die Neuköllner Oper - von dieser innovativen Berliner Bühne wurde die Aufführung übernommen - spielt Mozarts Meisterwerk ausschließlich mit Männern. Dies ist freilich nicht der Versuch, Mozart in tuntiger Ästhetik der schwulen Community zu erschließen, sondern ein Kunstgriff, um das Lehrstück auf eine noch allgemeinere Ebene zu heben. In Lorenzo Da Pontes Libretto, das die romantische Liebe als Illusion vorführt, sind es die beiden Frauen, die wesentlich schlechter wegkommen, was schon die zeitgenössische Kritik bemängelte. Hier, wo alle Protagonisten demselben Geschlecht angehören, ist die Geschichte auf ihre Gender-unabhängige Grundstruktur reduziert: So machen es wirklich alle. Überdies, so Regisseur Robert Lehmeier, gerät der heterosexuelle Zuschauer in eine ungewohnte Lage: "Er muss das Geschehen auf der Bühne permanent in seine Empfindungswelt übersetzen."

Die Spaghetti sind gegessen, der Prosecco ausgetrunken. Eine gelangweilte Runde aus dem kreativen Milieu, zufällig lauter Homosexuelle, beschließt auf Anregung Alfonsos (Matthias Ehm) ein Rollenspiel, eine Art wilde, unkontrollierte Gruppentherapie durchzuziehen: Partnertausch. Gespielt wird mit offenen Karten, jeder weiß Bescheid, die absurden Verkleidungen - Plüschhäschen und rosaroter Panther - sind Teil des Spieles, der für die Beteiligten einzig lustige. Die Vorsätze der Paare, den Versuchungen zu widerstehen, halten nicht lange. Guglielmo (Gero Bublitz) angelt sich Dorabella (Assaf Kacholi), Ferrando (Jan Remmers) bandelt mit Fiordiligi (Michael Bielefeldt) an. Alfonso und sein Freund Despina (Christian Senger) behalten Recht: Am Ende der "Schule der Liebenden" - so der Untertitel der angeblichen Komödie - steht die niederschmetternde Erkenntnis von der prinzipiellen Auswechselbarkeit der Liebespartner.

Für diese Aufführung hat Winfried Radeke, der Gründer der Neuköllner Oper, eine Fassung für zwei Klaviere und acht Hände erarbeitet. Der musikalische Leiter Jens-Karsten Stoll und die drei anderen Pianisten gehören auch zu der abendlichen Runde und setzen sich zu Beginn an die Flügel, die in dem schicken Loft herumstehen. Die für Frauenstimmen geschriebenen Noten einfach eine Oktave tiefer zu setzen, erweist sich für die Sänger dieser Partien als höllisch. Vor allem Michael Bielefeldt plagt sich sehr mit den Höhen und Tiefen dieser anspruchsvollen Rolle - aber die Aufführung richtet sich ja primär nicht unbedingt an traditionelle Freunde des Schöngesangs. Die Lacher über Koloraturen - wie sie etwa von Jan Remmers tadellos dargeboten werden - verraten, dass im Publikum zumindest bei der zweiten Vorstellung zum größeren Teil Theaterfans saßen, denen die Gattung Oper offenbar fremd ist. Diese "Così" ist sicher nicht jedermanns Sache, allerdings: So lange es (auch) solche Aufführungen gibt, braucht man nicht um die Lebendigkeit des Genres zu fürchten.

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