So macht's nur der Peter Konwitschny …

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Wolfgang Amadeus Mozarts "Così fan tutte" feierte als Import von der Komischen Oper Berlin in Graz Premiere, wo der scheidende Grazer Intendant Jörg Koßdorff 2005 die Szene entworfen hat. Von Lorenzo da Pontes exemplarischem Libretto aufklärerischer Partnerschaftskunde ist in der deutschsprachigen Fassung wenig übriggeblieben.

Dem fleißig applaudierenden Grazer Premierenpublikum bereitet die "Scuola degli amanti" unter dem Behelfstitel "So machen's alle" offenbar einen launigen Abend. Auch wenn von Lorenzo da Pontes exemplarischem Libretto aufklärerischer Partnerschaftskunde wenig übrig geblieben ist in der deutschen Fassung von Bettina Bartz und Werner Hintze. Die bettelt mit schlechtem Deutsch - wie "mal an Land, mal am Meer" (die deutschen Übertitel sprechen für sich) - oder anbiedernden Witzchen wie "Prösterchen" und "Servas, die Madln" auf unterstem Niveau um Lacher.

Dort finden sich auch die beklagenswerten Liebhaber-Schüler Ferrando und Guglielmo, nämlich in Feinripp, langen Unterhosen und Filzpatschen. Zur finalen Hochzeitstafel ("Wer heiratet da eigentlich wen?", fragt sich sogar Don Alfonso) gibt es dann auch nur Frankfurter Würstchen - und das in Neapel? - Corpo di Bacco!

Aufklärung und Surrealismus

Regisseur Peter Konwitschny und sein Bühnenbildner Jörg Koßdorff, in sechs gemeinsamen Arbeiten (von "Madame Butterfly" bis "Falstaff") laut deutschem Feuilleton höchst erfolgreich, haben aber auch gute Momente: Zwar stören Schrifttafeln über Männer-Schweine und Weiber-Zicken bereits die Ouvertüre, aber als der Vorhang aufgeht, schaut die neapolitanische Bottega di caffè sehr authentisch aus.

Bis allerdings ein Platz-Hirsch und eine Kamel-Kuh störend am Nebentisch Platz nehmen. Was soll in einem Werk der Aufklärung solch unmotivierter Einbruch des Surrealen?

Dass Ferrando und Guglielmo wie Fiordiligi und Dorabella mit Puppen ihrer Partner spielen, mag ihre zwischen Werther-Fieber und Unaufgeklärtheit pendelnde Unreife markieren. Dies ermöglicht aber immerhin den schönen Einfall, dass die Mädchen ihre Liebhaber-Puppen in Schuhschachteln einmotten, als sie sich zum Treuebruch mit den mit Tiger- und Leoparden-Fell maskierten Versuchern bereitfinden.

Vor Henri Rousseaus Zaubergarten-Prospekt der Begierden fackelt Konwitschny den zweiten Akt mit Donner und Blitz ab und zerkocht schließlich die Liebespaare auf zeitgeistigen Ceranfeldern.

Dass Mozarts Oper banaler Hinzuerfindungen im Szenischen so wenig bedarf wie seine Musik einer holprig-unsingbaren Trivialübersetzung, das beweisen der für den erkrankten Opernchef eingesprungene Dirk Kaftan mit einer subtil durchgestalteten Klangrede, erregt atemlosen bis erstarrt innehaltenden Tempi und seiner zum Teil exzellenten Sängerbesetzung.

Die schwedische Sopranistin Maria Bengtsson und der steirische Tenor Johannes Chum, die beide auch in Berlin sangen, erfüllen als Fiordiligi und Ferrando nahezu alle Anforderungen ihrer vertrackten Partien mit belcantistischer Finesse. Die schlanke Blondine verfügt über mädchenhafte Frische und glockenklares Timbre. Chums Stimme besitzt jene "Aura amorosa", die auch dem deutschen Konsonantengedränge trotzt.

Durchmischte Leistungen

Die amerikanische Mezzosopranistin Kirstin Chavez, die in Graz schon eine furiose Carmen gestaltete, ist für die Dorabella beinahe schon eine Überbesetzung. Der steirische Bariton Mathias Hausmann ist als Guglielmo viril, aber noch ein wenig unbehauen roh. Ganz in ihrem Element, pikant und koloraturensicher erweist sich Publikumsliebling Margareta Klobucar (Despina), während der deutsche Charakterbariton Jochen Schmeckenbecher (Don Alfonso) im Spiel stärker überzeugt als mit seiner wenig agil federnden Stimme. Hochaktiv in präzisem Wohllaut und gemischter Soldaten- und Piraten-Verkleidung brilliert der von Bernhard Schneider animierend geführte Grazer Opernchor.

Die Grazer Kostümbildnerin Michaela Mayer-Michnay hat ihre Entwürfe für Peter Konwitschnys Inszenierung ja schon 2005 geliefert: Sie sind ganz auf Mozart/da Ponte 1790 zugeschnitten, ironischerweise in Baby-Rosa und Baby-Blau, egal ob Soldatenuniform oder Mädchenkleid. Was uns der Regisseur damit signalisieren möchte?

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