Das Wiener Theater der Jugend und seine aktuelle Produktion "Der geheime Garten".
Das Theater der Jugend sieht sich, nach Worten des künstlerischen Direktors Thomas Birkmeir, ganz der Idee der einstigen Volksbühnenbewegung verpflichtet. Damals im Jahr 1890 hieß das: Die Kunst solle dem Volke gehören, nicht aber Privilegium eines Teils der Bevölkerung, einer Gesellschaftsklasse sein. Heute haben wir gewiss eine etwas andere, aber um nichts weniger schwierige Ausgangssituation. Es geht nicht nur darum, einem breiten Publikum, das selten die Gelegenheit wahrnimmt mit dem Medium Theater in Berührung zu kommen, die Schwellenangst vor Kunst und Kultur zu nehmen. Viel wichtiger ist es heute, eine bestimmte Gruppe in unserer Gesellschaft, nämlich die Kinder, überhaupt mit Literatur, mit Kunst, mit Theater zu konfrontieren und damit, nach den Worten Birkmeirs, ein Bewusstsein zu wecken, dass Kunst die eigene Lebenswelt und den emotionalen Haushalt berührt. Mit diesem selbst verordneten Auftrag übernimmt das Theater der Jugend keine geringe kulturelle Aufgabe. Nicht dass damit bloß die Zuschauer von morgen rekrutiert würden, viel bedeutender scheint der Umstand, dass Kinder, die die Welt durch den symbolischen Schein der Kunst, durch schützende Erzählung erfahren durften, besser auf das Leben vorbereitet sind.
Mit Frances Hodgson Burnetts Roman "Der geheime Garten" aus dem Jahr 1909 nimmt sich Birkmeir, der sowohl für Buch und Regie verantwortlich zeichnet, einen Kinderbuchklassiker vor, der durch Klischeehaftigkeit der Figuren zwar sein Alter nicht ganz verleugnen kann, durch die szenisch durchdachte Regie und das intensive Spiel des Ensembles sein primäres Publikum aber durchwegs in seinen Bann zu schlagen weiß. Die Geschichte beinhaltet drei beliebte kinderliterarische Motive: das Auskundschaften eines Geheimnisses, der Blick ins seltsame Leben der Erwachsenen und erste kindliche Liebeserfahrung. Durch einen aus dem Off kommenden inneren Monolog zusammengebunden, ist die Geschichte eine Art Bildungsroman, und wie es dem Genre entspricht, bildet auch hier das Leben. Das hat es aber in sich, so viel Schicksal wie nie! Die verwöhnte, von den Eltern aber vernachlässigte, unsympathische Mary kommt, durch ein Erdbeben Vollwaise geworden, nach England in die Obhut ihres geheimnisvollen, durch einen Schicksalsschlag misanthropischen, mit einem Buckel verunstalteten (warum bloß?) Onkel, plagt sich mit einer bösartigen Wirtschafterin herum und streitet mit ihrem eingebildet-todkranken Cousin Collin. Erst der Duft der Erde, das Blühen der Blumen und die Begegnung mit dem naturverbundenen Dickon löst bei dem verzogenen Girlie jene seelische Erschütterung und Läuterung aus, in deren Sog alle zurück ins Leben finden.