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Umjubelte Albee-Premiere amWiener Akademietheater.

Selten erzielte in jüngerer Zeit die Aufführung eines modernen Stückes so viel Wirkung wie die jüngste Premiere im Wiener Akademietheater. Die deutschsprachige Erstaufführung von "Die Ziege oder Wer ist Sylvia?" des bereits 75-jährigen Edward Albee fand in der Regie von Andrea Breth großen Beifall.

Das Drama beginnt als Boulevardkomödie im leichten Konversationston. Martin meint, er fange an, alles zu vergessen, seine Frau Stevie redet ihm die beginnende Alzheimer-Krankheit aus und schmückt den Wohnraum mit Ranunculi. Besuch steht ins Haus, und Martin bindet seine alte Collegekrawatte um: Jugendfreund Ross kommt zu einem TV-Interview und will von Martin wissen, wie man soviel Glück auf einmal fassen könne: innerhalb einer Woche 50. Geburtstag, die Verleihung des begehrtesten Architektur-Preises und der Riesenauftrag für eine moderne Kleinstadt im Mittleren Westen.

Zimmerschlacht ...

Martins plumpe Antworten lassen Ross das Gespräch abbrechen und den Kameramann wegschicken. Er fühlt, dass etwas "im Busch" ist und entlockt Martin das Geheimnis. Dieser hat sich in eine Ziege, die er Sylvia nennt, verliebt - mit allen sexuellen Konsequenzen. Ross gibt sich empört und macht Stevie brieflich Mitteilung von diesem Fall von Sodomie.

Damit mündet das Stück in eine für Albee seit "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" typische Zimmerschlacht und stärkere Theatralik. Billy, der 17-jährige schwule Sohn, wird aus dem Zimmer geschickt. Die gekränkte Hausfrau demoliert gründlich den zu Beginn so schick wirkenden Loft - Susanne Raschig hat die passende Ausstattung für das Heim eines Stararchitekten geliefert -, Scherben und Abfall aus aufgeschlitzten Müllsäcken bedecken den Boden. Schließlich verlässt Stevie nach weiterer Rache dürstend das Haus.

Den Untertitel "Anmerkungen zu einer Bestimmung des Tragischen" rechtfertigt Albee im letzten Bild. Wie es zur Tragödie gehört, muss am Ende ein unschuldiges Wesen daran glauben. Stevie kehrt mit der von ihr geschlachteten Ziege auf den Trümmerhaufen zurück. Der Theaterkenner weiß natürlich, dass Tragödie "Bocksgesang" bedeutet und dass diese Tiergattung dem phallischen, ob seines Flötenspieles bekannten Gott Pan zugeordnet ist.

... und Leidenschaft

Die Inszenierung streicht wie das Programmheft, das sich ausschließlich auf Texte über Pan konzentriert, die Urgewalt heraus, der Martin in diesem Stück erliegt. Ob Ziege oder ein anderes Objekt hemmungsloser Leidenschaft, der Mensch ist in Gefahr, angesichts einer "Epiphanie" den Boden unter den Füßen zu verlieren, Tabus zu ignorieren und dabei ihm wichtige Werte - man glaubt Martin auch die gleichzeitige Liebe zu seiner Frau - außer Acht zu lassen und zu zerstören. Die Frage lautet: Was lernen wir daraus?

Nur ein paar unnötige Längen trüben Andrea Breths eindrucksvolle Inszenierung mit großartigen Schauspielerleistungen. Peter Simonischek (Martin) glaubt man zwar nicht ganz den Stararchitekten, Corinna Kirchhoff (Stevie) ist bei ihren Ausbrüchen nicht immer verständlich, aber das sind Kleinigkeiten. Johann Adam Oest als schmieriger Ross und Philipp Hauß als glaubwürdig verzweifelter Sohn lassen kaum einen Wunsch offen.

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