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In der Bundeshauptstadt setzt man auf Nummer sicher.

Der Jahresregent: Shakespeare.

Wer sich von der nächsten Wiener Theatersaison spektakuläre, die darstellende Kunst revolutionierende Events in der Art von Christoph Schlingensiefs Aktionen, Hermann Nitschs OM-Theater oder postdramatische Experimente erwartet, wird enttäuscht sein. Die großen Wiener Bühnen setzen diesmal mit einer soliden Mischung aus klassischer und zeitgenössischer Dramatik in hochkarätiger Besetzung auf Nummer Sicher.

Hoch-Burg der Klassik

Rigide wie nie zuvor wurden im Burgtheater in der kommenden Spielzeit die Aufgaben der verschiedenen Spielstätten eingegrenzt. Das Haus am Ring präsentiert sich in der Tat als Hoch-Burg des klassischen Welttheaters. Zur Saisoneröffnung am 3. September übersiedelt Martin Ku\0x0161ejs Inszenierung von Nestroys Höllenangst aus Salzburg nach Wien, doch der Jahresregent heißt, sieht man vom großen Prestige-Projekt der von Hausregisseurin Andrea Breth betreuten, für Jänner angekündigten Wallenstein-Trilogie ab, diesmal eindeutig Shakespeare. Vielleicht in weiser Vorwegnahme der 2016 zum 400. Todestag zu erwartenden Shakespeare-Hypes? Die mit einem Karl Kraus-Zitat untermauerte dramaturgische Leitlinie ist jedenfalls politisch: "Dort ist Kultur, wo die Gesetze des Staates paraphrasierte Shakespearegedanken sind."

Dies soll an "fünf Stücken über Mechanismen der Macht und über das Funktionieren von Politik" verdeutlicht werden. Mit Viel Lärm um Nichts feiert Jan Bosse sein Regie-Debüt an der Burg, Falk Richter wird im März Julius Cäsar in einer eigenen Bearbeitung herausbringen, bei Maß für Maß führt Karin Beier Regie und in Luc Bondys Festwochen-Inszenierung von König Lear, der seit Jahrzehnten nicht mehr am Burg-Repertoire stand, darf man schon jetzt große Erwartungen setzen.

Mit dem Sturm hingegen wird Barbara Frey, die im Frühjahr mit Arsen und Spitzenhäubchen einen überzeugenden Wiener Einstand feierte, im Juni den Schlusspunkt unter den Premierenreigen des Akademietheaters setzen. Übrigens als einzige Klassiker-Inszenierung im kleinen Haus, wo das Jahr über die Gegenwartsdramatik unangefochten im Vordergrund steht. Friederike Heller, deren Salzburger Produktion von Die Unvernünftigen sterben aus den Saisonauftakt bildet, wird im Frühjahr mit Spuren der Verirrten ein weiteres Handke-Stück zur österreichischen Erstaufführung bringen. Mit dem dramatischen Gedicht Ende und Anfang, ein neues Auftragswerk des erstaunlich produktiven Roland Schimmelpfennig, Le Dindon von René Pollesch und Das Haus des Richters von Dimitré Dinev (Regie: Andrea Breth) sind gleich drei Uraufführungen angesagt, während Neil LaButes Some Girl(s) in einer Inszenierung von Dieter Giesing erstmals in deutscher Sprache zu sehen sein wird.

Im Kasino darf man neben Autoren-Werkstatttagen eine Reihe interessanter Projekte - u.a. Medea von Michael Walczak und Grzegorz Jarzyna als Koproduktion mit dem TR Warszawa und Über Tiere von Elfriede Jelinek - erwarten.

Neu-alte Josefstadt

Der neue Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger (siehe Interview auf Seite 22) setzt mit der in Angriff genommenen baulichen Sanierung des Hauses einen zukunftsweisenden Schritt, künstlerisch hingegen muss seine Stammklientel keine radikale Wende befürchten. Den Beginn macht eine viel versprechende Uraufführung von Peter Turrini, der sich in Mein Nestroy mit Marie Weiler, der langjährigen, in der Nestroy-Literatur wenig freundlich behandelten Lebensgefährtin des Dichters, auseinander setzt. Die Bernhard-Pflege - mit Otto Schenk als Theatermacher - wird fortgesetzt, Philipp Tiedemann transponiert im Jänner den Dogma-Kultfilm Das Fest auf die Bühne.

Das bewährte Ensemble wird durch - vom Volkstheater herübergewechselte - Stars bereichert: auf Andrea Eckert wartet schon im Oktober die Paraderolle der Arkadina in Tschechows Möwe, Andrea Jonasson wird im März in Christopher Hamptons Gefährliche Liebschaften (Regie Janusz Kica) zu sehen sein und Heribert Sasse als Stadthauptmann in Gogols Revisor. Darüber hinaus wird auch Joachim Bißmeier wieder an der Josefstadt auftreten: als Rittmeister Moser in Schnitzlers selten gespieltem Ruf des Lebens in der Regie von Franz Xaver Kroetz.

Die Kammerspiele starten mit einem vorprogrammierten Hit - Mich hätten Sie sehen sollen mit Elfriede Ott, Fritz Muliar, Renate Holm u.a.m. - und beenden die Saison nicht weniger publikumswirksam mit einer von Dolores Schmidinger gestalteten Adaption von Elizabeth T. Spiras Alltagsgeschichten.

Volkstheater-Parcours

Mit einer Mischung aus Riskantem und Bewährtem - etwa Liebelei, Glaube Liebe Hoffnung oder dem Musical-Welterfolg Cabaret - versucht es Michael Schottenberg im Volkstheater, dessen Ensemble durch das Ableben von Toni Böhm einen seiner profiliertesten Darsteller verloren hat. Auch am Weghuberpark steht - gleich als Eröffnungspremiere - mit Lars von Triers Dogville in der Bearbeitung von Christian Lollike - die Bühnentauglichkeit eines Dogma-Films auf dem Prüfstand. Sicherlich keine leichte Kost, ebenso wenig wie Gombrowiczs Yvonn, die Burgunderprinzessin oder die österreichische Erstaufführung von Simon Stephens Am Strand der weiten Welt. Und auch der Saisonausklang mit Macbeth (Regie: Nuran David Calis) scheint nach Jürgen Goschs Aufsehen erregender Interpretation nicht ganz risikofrei.

Im Hundsturm wird vom regelmäßigen Spielbetrieb Abstand genommen. Stattdessen werden in einer Reihe "Theater / Kunst / Form" grenzüberschreitende Performances angeboten und vier Autorenwochenenden stehen im Zeichen der internationalen Gegenwartsdramatik.

Die Mittelbühnen befinden sich derzeit in einer Umbruchssituation. Im Schauspielhaus steht die Neuausschreibung an, das von der Wiener Theaterreform begünstigte, sein freches Image hervorkehrende tag (Theater an der Gumpendorfer Straße) muss sich erst durchsetzen. Ob Hubsi Kramar, auch er ein Gewinner der Theaterreform, mit seinem im April eröffneten, architektonisch faszinierenden Raum-Anatomietheater in der Beatrixgasse die Wiener Szene so richtig aufmischen wird, muss sich erst weisen. Man darf sicherlich gespannt sein. Die neue Spielzeit beginnt jedenfalls mit Warten auf Godot zur Erinnerung an Samuel Becketts 100. Geburtstag.

Wohin geht die freie Szene?

Andere haben es schwerer. In der Drachengasse lässt man sich - gemäß dem ironischen Motto "Alles bestens: Wir leben in wunderbaren Zeiten" nicht entmutigen und stellt beachtliche Produktionen, darunter so manche hierzulande noch kaum bekannte Werke, in Aussicht, und auch im Spielraum ist man bestrebt, trotz aller Schwierigkeiten den eigenen Qualitätsanspruch zu wahren.

Im Rabenhof, mittlerweile Fixplatz für fetziges Trash-Theater, geht es auch in diesem Herbst schräg und schrill zu. Die Reihe der Autorenlesungen eröffnet Terry Pratchett mit seinem in Fantasy-Sphären führenden Klonk! Ein Scheibenwelt Roman, Andreas Vitasek stellt sein neues Kabarett-Programm My Generation vor und von 17. September bis 23. Oktober ist unter dem Motto "Jetzt wird gewählt" die zweite Folge der Home-Story Bei Schüssels als Puppenspiel mit dem "Original Wiener Praterkasperl" zu sehen.

Auf die facettenreiche freie Szene kündigt sich ein Übergangsjahr des Abwartens an. Die Leitung von "dietheater" ist (ab Herbst 2007) neu ausgeschrieben, zu den beiden Bühnen im Künstlerhaus und im Konzerthaus wird als dritte Spielstätte das Theater in der Edelhofgasse kommen. Die Weichen sind gestellt. Wohin sie führen, muss sich erst zeigen.

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