Sommernacht und Chaos

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Zwei ungewöhnliche Opernpremieren in Innsbruck: Uraufführung von Carsten Hennigs Kammeroper "Malins Heimkehr" und Benjamin Brittens "A Midsummer Night's Dream".

Von den Gipfeln leuchteten die Bergfeuer, durchs Große Haus des Tiroler Landestheaters huschten in dieser Mittsommernacht Kobolde, Elfen, Geister und Liebende. Im Kräftefeld zwischen Natur und Gesellschaft des "Sommernachtstraums" entschieden sich Brigitte Fassbaender als Regisseurin und Bühnenbildnerin Bettina Munzer für beides: Ihr geschlossener Bühnenraum verweist auf gebaute Zivilisation, lässt aber in diffusem Licht ein halb eingebrochenes Häuschen durchaus in wilder Gegend imaginieren.

Fassbaender begegnet dem unerschöpflichen Stück mit reicher Phantasie und Präzision, immer ganz nah an Brittens Musik, die Frank Cramer am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck auf den abgesetzten Ebenen der Naturgeister, der Liebespaare und der Handwerker in beeindruckender kammermusikalischer Feinarbeit weben und glucksen und liebesseufzen und poltern lässt. Fahle, huschende Gestalten jenseits romantischer Elfenlieblichkeit betonen die Stunde des anarchischen Eros, gefangen in Brittens irisierender Musik, die von den seufzenden Glissando-Ketten an eine betörende, unwirkliche, unheimliche Stimmung ausgießt und die Welt des Unbewussten artikuliert.

Britten las in Shakespeares Stück auch die Groteske. Grau in grau stehen die Elfen für die Umwelt, schrullig wie die übrigen Kobolde und Trolle (Kostüme: Julia Libiseller). Oberon ist mit dem glasklaren Countertenor Bernhard Landauers fast unkörperlich besetzt, Susanne Winter eine brillante Tytania und Dale Albright in dieser englischsprachigen Aufführung (Übertitel) ein hochmusikalisch sprechender, feister, herrlicher Puck. Ideal aus dem Ensemble besetzt die Liebespaare und die Handwerker mit Lars Woldt als köstlichem Bottom.

Am Abend zuvor war in den Kammerspielen die erste Oper des jungen deutschen Komponisten Carsten Hennig uraufgeführt worden. Mit "Malins Heimkehr", vor allem aber dem Untertitel "Die Geburt der Musik aus dem Geist der Tragödie" hatte er gemeinsam mit seiner als Autorin und Regisseurin ebenfalls debütierenden Librettistin Christine Lemke-Matwey zu hoch gegriffen.

Der Mythos von Pan und der Nymphe Syrinx, die sich dem geilen Gott durch Verwandlung entzieht, wurde in der Aktualisierung, sprich in der Unkenntlichkeit der Verkleinerung, eine Liebesgeschichte voll Plattitüden. Es geht um die junge Malin, die ihre Sexualität entdeckt, sich aber verweigert, und den besitzergreifenden Hans, der Malin will und dabei seine Liebe entdeckt.

Hennigs Musik geht vom Geräuschhaften, vom Chaos aus, ist transparent und spröd und erlaubt in ihrer Gebrochenheit und Durchlässigkeit keine Orientierung. Das kleine Ensemble bleibt mit seinen instrumentalen Entfremdungen primär aktionistisch - vielleicht der stärkste theatralische Ansatz. Die Stimmen der Sängerinnen und Sänger werden arg malträtiert. Dirigent Dorian Keilhack steuert erfahren durch die Klangpunktierung, bis es am Ende des Geburtsschmerzes zu ein paar Takten flacher Spätromantik kommt. Als ob man darauf gewartet hätte.

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