Sonne und Mehr

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Vergessen Sie Caorle und Capri. Österreichs Kolonien liegen längst anderswo. Denn eines steht fest: Wien ist kalt und teuer, Phuket warm und billig.

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Vergessen Sie Caorle und Capri. Österreichs Kolonien liegen längst anderswo. Denn eines steht fest: Wien ist kalt und teuer, Phuket warm und billig.

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Phuket Town, Mae Porn Restaurant. Stammtisch Österreich. Döbling und Favoriten. Die Stimmung ist bestens unter den älteren Herren, die hier seit Wochen Abend für Abend zusammentreffen. Man bespricht Otto Baric, von dem man es schon immer gewußt hat, Bill Clinton, von dem nichts anderes zu erwarten war, und Mausi Lugner, die echt super ist - in fließendem Wienerisch, das für den Berliner Skatverein am Nebentisch vielfach unverständlich bleibt.

Die Herren sind in Begleitung, bis auf Hans, den Achtzigjährigen, der hier wirklich nur sein Rheuma auskurieren und die Sonne genießen will. Seinen Landsleuten ist das keineswegs genug, auch wenn Karl und Franz und Herbert in ihren grundsätzlichen Diskussionen zur Lage der Nation nicht gestört werden wollen - auch nicht von ihren einheimischen Tischgefährtinnen, die in die abendlichen Gespräche nur gelegentlich eingebunden werden und über die Funktion des Bambustischschmuckes um diese Tageszeit nicht hinauskommen: "You want eat a rice?" radebrechen die Herren mit den kichernden Kindern in schwarzen Miniröcken, die ihre Enkelinnen sein könnten, um sich wieder den wirklich wichtigen Dingen des Lebens hinzugeben, bevor es Nacht wird über Phuket. Ware Liebe also.

Phuket Town ist eine Gegend für Insider, wo es immer noch mehr Thais als Touristen gibt. So richtig los geht es erst an den Stränden rund um die ehemalige Minenstadt, vor allem der Patong Beach, und das nicht vor zehn Uhr abends, wenn die paar europäischen Familien längst in den Federn liegen. Zwanzig Minuten Busfahrt durch die pittoresken Karsthügel im Westteil der Insel - vorbei am "Jungle Bungee Jumping" für mutige und der Go-Kart-Bahn für rasante Vertreter des kurzbehosten Westens - eröffnen auch frühmorgens Einblicke in das Urlauberleben an thailändischen Gefilden. Vorbei ist die glitzernde Neon-Nacht, noch herrscht gähnende Leere auf den Straßen, wo sich die paar Gemüsefrauen vom Markt bald verlaufen. Da sind die letzten Nachteulen, die aus der Sailor's Bar mehr stolpern als stolzieren. Da dösen einige klägliche Gestalten vor der Irish Bar. Urlaub muß schön sein in einer der 255 Bars und Diskotheken von Patong, wo Schätzungen zufolge etwa 1.200 (unregelmäßig und meist kurzfristig) einschlägig beschäftigte Frauen etwa zehn Prozent aller touristischen Arbeitsplätze einnehmen: Open-ended prostitution, wie das Zusammenleben - über Tage oder Wochen - mit Touristen lapidar heißt.

Rolex um öS 150,Neun Uhr, wenn die Banken aufsperren, ist nicht die Zeit der vielen Worte. Gewichtige Herren voran, die dunkelhäutigen Schönheiten der Nacht mit Respektabstand dahinter. Zu sagen hat man sich längst wenig. Die Warteschlangen vor der "Thai Farmer's Bank" werden lang und länger. Auszahlung. Wortlos. Doch man hat Zeit hier, denn das "Ocean Shopping Center" sperrt vor elf Uhr ohnedies nicht auf. Geld ist kein wirkliches Kriterium im asiatischen Bibione: Jacke, Hose, Hemd, zwei Krawatten, maßgeschneidert natürlich - um 90 US-Dollar sind Sie dabei. Für Herrn und Frau Powondra, mitsammen 131 Jahre alt und 220 Kilogramm schwer, beide im Partnerlook in Athleten-T-Shirts (mit Palme vor Sonnenuntergang), sind die Textilpreise kein Grund hierherzukommen; eher schon die imposanten Rolex-Uhren aus purem Gold, die im Straßenverkauf um 150 Schilling gehandelt werden.

Doch was ist schon wirklich echt an der tropischen Adria, die längst per Direktflug aus Wien erreichbar ist? Die Andamanensee scheint auf dem besten Weg zur Badewanne Wiens: Zigtausende Österreicher zieht es alljährlich in die Wärme Südostasiens, Tendenz steigend. Lauda macht's möglich.

Thailand ist wieder attraktiv geworden, sollte es je seinen Reiz verloren haben. 7,2 Millionen Touristen 1997, das bedeutet Rang 20 in der touristischen Weltwertung und einen Anteil von 1,2 Prozent am internationalen Tourismus. Der fünfzigprozentige Wertverlust der Nationalwährung Baht sorgte für einen neuen Boom im Tourismus.

Daß über 80 Prozent der Gäste alleinreisende Männer sind, muß Zufall sein, wie feuchtfröhlich erklärt wird. "Entweder Dominikanische Republik oder Thailand", erklärt der Landsmann aus Gramatneusiedl im Brustton des welterfahrenen Reisenden, "und derzeit such' ich mir meinen Spaß eben in Phuket, was will ich mehr." So unrecht hat er nicht. Denn irgendein Lokal wird seinen (kulinarischen) Geschmack schon treffen. Neben der Institution der "deutsch-österreichischen Grillhütte", wo seit 1983 Schnitzel geklopft werden, laden auch die "Schnitzelwirtin", der "Heurige" oder die "Grillstub'n" zu Schweinsbraten und Sachertorte. Mit rotweißroter Fahne natürlich, quasi die Schutzhütten in einer Gegend, wo noch nicht jeder Deutsch versteht. "Wird schon noch werden, die lernen ja rasch", meint Herr Josef aus Wien Fünfhaus, der alljährlich zwei Wintermonate in Phuket gastiert und im "Schlawiener" in der Wienerstraße schon heimisch ist. "Schließlich gibt es sogar die letzten Fußballresultate hier, im Internet", erklärt der arbeitslose Installateur, bevor er mit seiner Leih-Honda davonbraust, neuen Abenteuern entgegen. Per Kavaliersstart natürlich, denn sein Soziussitz war attraktiv besetzt.

Österreichisch-thailändische Joint-Ventures sind salonfähig geworden, und so mancher Aussteiger der Achtziger ist geblieben und längst Teilhaber an Tauchschulen, Surfbrettverleihs und so manchem anderen Etablissement.

Phuket: Domizil der österreichischen Bademeister i. R.? Ganz in Weiß und Gel im Haar, Goldketten und Tanga, ist man auf der Pirsch nach barbusigem Freiwild. Das Strandleben ist vertraut, mit dreireihigen Sonnenschirmalleen, mit Speedbooten, Parasailing und Massage. Wären da nicht gelegentlich Thais im Straßenbild, das Wasser salzig und die Preise in D-Mark, Dollar oder (immer noch auch) Baht, fast könnte man sich irgendwo zwischen Copa Cagrana und Caorle fühlen. "I am from Austria", summt auch der Herr mit Spiegelbrille und Birkenstock, der soeben einen Zehnerpack Reebok-Shirts erworben hat. Servus, Fredl.

Und fad wird es nie, dafür sorgen schon die Sonderangebote der örtlichen Touristenbüros: Besonders beliebt ist die James-Bond-Tour im Phang-Nga-Bai-Nationalpark, wo einst schon Agent 007 die Puppen vor einer felsigen Märchenkulisse tanzen ließ. "Der Mann mit dem Goldenen Colt" in der Hose? Hehehe. Schenkelklopfende Heiterkeit, wenn Karli wieder einmal direkt wird. Heiß ist es, da besichtigt man den buddhistischen Tempel mit den lustigen Affen gleich mit nacktem Oberkörper.

Thailand original Schon der Tourguide sorgt für Stimmung, dummerweise auf Englisch, was weiter keine Rolle spielt: Denn das Mittagessen im Original-Seezigeuner-Dorf, das nur aus Restaurants mit angeschlossenem Souvenirshop besteht, ist ja schließlich inklusive. Genauso wie die Porzellanteller-mit-Foto-der-bootsbesteigenden-Tourteilnehmer und die Besichtigung der Original-Cashewnut-Fabrik, vor der bereits fünf andere Tourbusse mit laufenden Motoren die Klimaanlage am Leben halten. Karli und Franz sind auch dabei, passieren wie alle anderen die Plastik-Vorführ-Palme mit der überdimensionalen Plastik-Vorführ-Nuß ungerührt und reihen sich in die Schlange vor den Gratiskostproben des Nuß-Supermarktes ein.

"Heute haben wir ja das richtige Thailand auch einmal gesehen", sind sie sich nach der Betriebsbesichtigung sicher und freuen sich schon auf einen Abend im Stammlokal. Backhuhn mit Pommes. Unter ihresgleichen. Mit einem leeren Sessel in der Runde, denn Herberts sechzehnjährige Urlaubsflamme Truong hatte sich auf Nimmerwiedersehen verabschiedet. Eigentlich unverständlich. Schade.

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