Sozialisierung oder die Gene?

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Hirokazu Kore-eda erzählt in seinem feinfühligen Drama "Like Father, Like Son" bewegend von zwei Familien, die erfahren, dass ihre sechsjährigen Söhne bei der Geburt vertauscht wurden.

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Hirokazu Kore-eda erzählt in seinem feinfühligen Drama "Like Father, Like Son" bewegend von zwei Familien, die erfahren, dass ihre sechsjährigen Söhne bei der Geburt vertauscht wurden.

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Seit "Nobody Knows"(2004), in dem vier Kinder von ihrer Mutter allein in der Wohnung zurückgelassen werden, erzählt der 1962 geborene Hirokazu Kore-eda immer wieder Familiengeschichten. In seinem Meisterwerk "Still Walking" (2008) ging es um innerfamiliäre Bruchlinien, in "I Wish"(2011) um zwei Brüder, von denen der eine bei der Scheidung der Eltern der Mutter, der andere dem Vater zugesprochen wird.

In "Like Father, Like Son", der in Cannes 2013 mit dem Jurypreis ausgezeichnet wurde, wird das Leben des Architekten Ryota, seiner Frau Midori und des sechsjährigen Sohnes Keita durch die Nachricht erschüttert, dass Keita bei der Geburt mit einem anderen Jungen vertauscht wurde. Man trifft sich mit den anderen Eltern, bespricht das weitere Vorgehen, tauscht die Kinder zunächst für einzelne Wochenenden.

Modellhafte Gegenüberstellung

Ganz klassisch erzählt Kore-eda in ruhigen, langen, meist distanzierten Einstellungen und kann dabei auch auf hervorragende Darsteller, unter denen vor allem die Kinder durch ihr natürliches Spiel begeistern, vertrauen. Im genauen Blick auf die Charaktere und Milieus spürt man die Herkunft des Regisseurs vom Dokumentarfilm. Etwas zu forciert dekliniert er freilich die Gegensätze durch, wenn er der Architektenfamilie, die sich edel kleidet, in moderner Stadtwohnung lebt, einen Luxuswagen fährt und dem Kind die beste Erziehung inklusive Klavierunterricht zuteil werden lässt, den chaotischen Besitzer eines kleinen Ladens, der in einem heruntergekommenen Haus wohnt, einen klapprigen Kleinbus fährt und sich alternativ kleidet, gegenüberstellt.

Die wirkungsvolle, aber überzogene Konstruktion stört etwas, zu dick wird auch beim Musikeinsatz aufgetragen, doch Kore-edas warmherzig-menschlicher Blick und seine gewohnt zurückhaltende Inszenierung, die Emotionen nicht pusht, sondern zu drosseln versucht, lassen über solche kleine Schwächen locker hinwegsehen. Nicht überwältigt wird der Zuschauer hier, sondern langsam, aber nachhaltig schleicht sich "Like Father, Like Son" ins Herz, bewegt und entwickelt dank Momenten feinen Humors trotz des ernsten Themas Leichtigkeit.

Über das Private hinaus bezieht dieses sanfte Drama dabei auch gesellschaftlich Position, erteilt dem japanischen Leistungsund Disziplinierungsdenken, das durch den Architekten vertreten wird, der in seinem Kind ein Statussymbol sieht, eine Absage und stellt diesem den empathischen Umgang des Chaoten mit seinen Kindern gegenüber, der sich Zeit nimmt, mit ihnen spielt, badet und kaputtes Spielzeug repariert, sie nicht wie kleine Erwachsene behandelt, sondern sich auf die Kinderebene begibt.

US-Remake durch DreamWorks?

Differenziert diskutiert Kore-eda so - wie Bertolt Brecht anhand zweier Mütter in "Der kaukasische Kreidekreis" - die Frage, was einen Vater ausmacht. Der biologischen Komponente stellt er die Zeit und die damit verbundenen beglückenden Augenblicke gegenüber, die der arme Schlucker seinen Kindern schenkt, lässt aber auch den emotionslosen Architekten durch die Erfahrungen sich langsam öffnen und umdenken. Hoch liegt hier die Latte für das geplante US-Remake, für das sich Steven Spielbergs Firma DreamWorks bereits die Rechte gesichert hat.

Wie der Vater, so der Sohn - Like Father, Like Son (Soshite chichi ni naru)

J 2013. Regie: Hirokazu Kore-eda. Mit Masaharu Fukuyama, Machiko Ono, Keita Ninomiya, Lily Franky, Yoko Maki. Thimfilm. 120 Min.

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