Sozialtristesse war einmal

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Neuer Mut, frisches Geld und das Verlassen ausgetretener Genre-Pfade: Österreichs Filmbranche war auf der Diagonale in Graz in Hochstimmung.

In Graz schien die Sonne. Der Sonnenschein übertrug sich auch auf die Diagonale, das Festival des österreichischen Films, das mit 18.000 Besuchern in 134 Kinovorstellungen ziemlich gut dasteht. Der Sonnenschein brachte die Branchenvertreter zum Lächeln, die nach etlichen Oscar- und Festivalerfolgen nun auch endlich in der Heimat (und von der Politik) wahrgenommen werden. Es scheint, als hätte die Diagonale, die immer für ihre scharfen Debatten zwischen Filmszene und Kulturpolitik bekannt war, als Konfliktort ausgedient; jetzt ist sie ein echter Ort der Begegnung, des Austauschs.

Das jahrelange Streiten und Debattieren über mehr Geld für den heimischen Film zeigt nun Früchte. Denn es gibt nicht nur mehr Geld für das Österreichische Filminstitut, eine Verlängerung des ORF-Film-Fernsehabkommens und eine Novelle zum Filmförderungsgesetz (die FURCHE berichtete ausführlich), sondern auch ein neues Fördermodell für den heimischen Film: Nach Vorbild des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) wird das Wirtschaftsministerium ab Sommer 2010 eine Förderung anbieten, die bis 2012 mit insgesamt 20 Millionen Euro dotiert ist (was sich die Filmbranche allerdings als jährliche Summe gewünscht hatte). Film ist damit nicht länger bloß die teuerste Kunstform, sondern wird von der Politik auch als Wirtschaftsgut begriffen, mit dem sich über Umwege gutes Geld verdienen und das Image aufpolieren lässt.

Das neue Fördermodell will den Filmstandort Österreich stärken. Nicht nur heimische Produzenten, sondern auch internationale Koproduktionen (mit österreichischen Partnern) sollen mit Geld angelockt werden, ihre Filme in Österreich zu drehen und damit Arbeitsplätze, aber auch wirtschaftliche (etwa touristische) Umwegeffekte zu erzielen. Diesem Modell widmete die Diagonale eine Tagung, bei der die Details erläutert wurden – die Filmbranche klatschte selten geschlossen Applaus.

Selten geschlossener Applaus

Derweil zeichnete sich in Graz ab, wohin sich der österreichische Film entwickelt: Einerseits würdigten Preise an Festivalerfolge wie „La Pivellina“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel (Großer Diagonale-Preis Spielfilm) oder „Das weiße Band“ (Kamerapreis für Christian Berger, Preis für innovative Produktionsleistung) jene Leistungen von Filmemachern, die dem österreichischen Film zu seinem internationalen Ansehen verholfen haben. Andererseits gehen viele Kreative neue Wege: Dokumentarfilme wie „Jobcenter“ von Angela Summereder (Schnitt-Preis) oder „Kick Off“ von Hüseyin Tabak (Publikumspreis, Jugendjury-Preis) reflektieren nachdrücklicher denn je die sozialen Realitäten im Land, allerdings getragen von positiver Grundstimmung. Sozialtristesse war einmal. Das trifft auch auf „Hana, dul, sed…“ von Brigitte Weich und Karin Macher (Großer Diagonale-Preis Doku) zu, der mit viel Herz von Frauenfußball in Nordkorea erzählt.

Spielfilme lehnen sich genremäßig weit aus dem Fenster: Plötzlich schaffen Filme wie das stylishe Mystery-Drama „South“ von Joachim Krenn und Gerhard Fillei oder der gelungene Low-Budget-Zombiefilm „Rammbock“ von Marvin Kren auch hierzulande neue Artenvielfalt. Man traut sich jetzt, ausgetretene Pfade zu verlassen.

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